Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek über das BGH-Urteil zur Rentenfaktor-Klausel in Riester-Verträgen
Herr Blazek, der BGH hat entschieden, dass eine Klausel zur nachträglichen Rentenkürzung in Riester-Verträgen unwirksam ist. Wie bewerten Sie dieses Urteil?
Daniel Blazek:
Das Urteil ist ein ganz wichtiges Signal für Verbraucherinnen und Verbraucher, die eine Riester-Rente abgeschlossen haben. Der BGH stellt klar, dass ein Versicherer nicht einfach einseitig die Rentenzahlung reduzieren darf – jedenfalls nicht ohne gleichzeitig auch verpflichtet zu sein, im umgekehrten Fall wieder aufzustocken. Es geht hier um Vertragsfairness und das Vertrauen in die zugesagte Altersvorsorge.
Was war aus rechtlicher Sicht der Hauptkritikpunkt an der Klausel?
Die Klausel erlaubte dem Versicherer, bei sinkenden Kapitalerträgen oder steigender Lebenserwartung den Rentenfaktor – also die Umrechnungsgröße für die Monatsrente – zu senken. Aber: Es fehlte eine Regelung, die im Fall einer Verbesserung – z. B. bei steigenden Erträgen – zu einer Erhöhung des Rentenfaktors verpflichtet hätte. Der BGH sagt völlig zu Recht: Wer das eine erlaubt, muss das andere auch regeln. Alles andere ist einseitig und benachteiligt die Versicherten unangemessen.
Was bedeutet dieses Urteil konkret für die betroffenen Versicherungsnehmer?
Zunächst einmal schafft es Klarheit: Versicherte können sich gegen eine einseitige Kürzung der Rentenleistung wehren, wenn diese auf genau einer solchen Klausel beruht. Zudem können Verbraucherverbände oder betroffene Kunden vom Versicherer fordern, sich künftig nicht mehr auf diese Klausel zu berufen. Auch bestehende Verträge müssen entsprechend überprüft werden.
Gilt das Urteil nur für Altfälle oder hat es auch Auswirkungen auf aktuelle Riester-Verträge?
Das Urteil betrifft konkret eine Klausel aus Verträgen zwischen 2006 und 2006, aber die dahinterstehende Rechtsauffassung ist übertragbar auf ähnliche Klauseln in neueren Verträgen. Versicherer müssen jetzt sehr genau prüfen, ob ihre Bedingungen dem sogenannten Symmetriegebot genügen – also ob sie fair und ausgewogen sind. Ist das nicht der Fall, droht rechtlicher Ärger.
Die Versicherungswirtschaft warnt, das Urteil könne zu Unsicherheiten führen. Ist das aus Ihrer Sicht berechtigt?
Nein, das ist eine reflexhafte Abwehrhaltung. Wenn Vertragsklauseln gesetzeswidrig formuliert sind, dann kann man nicht von „Unsicherheit“ sprechen, sondern von berechtigter Korrektur. Das Urteil schafft Rechtssicherheit für Verbraucher – und zwingt Anbieter dazu, ihre AGB sorgfältiger und verbraucherfreundlicher zu gestalten. Das ist keine Krise, sondern ein überfälliger Weckruf.
Was raten Sie Verbraucherinnen und Verbrauchern, die eine fondsgebundene Riester-Rente abgeschlossen haben?
Lassen Sie Ihren Vertrag von einem Fachanwalt oder einer Verbraucherzentrale prüfen, insbesondere wenn Sie Post vom Versicherer mit Kürzungsankündigungen erhalten haben. Auch ältere Verträge sollten auf diese Klausel hin durchgesehen werden. Man muss nicht immer klagen – oft reicht schon ein gut formulierter Widerspruch oder eine Verhandlung über Vertragsanpassung.
Herr Blazek, vielen Dank für das Gespräch.
Daniel Blazek:
Sehr gerne. Es lohnt sich, bei der Altersvorsorge genau hinzuschauen – auch rechtlich.
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