Interview mit dem renommierten Rechtsanwalt Daniel Blazek, Experte für Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht, zur aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall Wirecard vs. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bei dem der Insolvenzverwalter größtenteils erfolgreich war:
„Ein wichtiges Signal für Gläubiger und Insolvenzverwalter“
Frage: Herr Blazek, der Bundesgerichtshof hat dem Insolvenzverwalter im Wirecard-Komplex weitreichende Auskunfts- und Einsichtsrechte gegenüber einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugesprochen. Wie bewerten Sie dieses Urteil?
Blazek: Das Urteil ist juristisch und wirtschaftlich sehr bedeutsam. Es stärkt die Rechte von Insolvenzverwaltern erheblich, insbesondere im Umgang mit Abschlussprüfern. Gerade in Fällen wie Wirecard, in denen Milliardenwerte verschwunden sind, ist es entscheidend, Licht ins Dunkel zu bringen. Die Möglichkeit, Einsicht in Handakten zu erhalten, ist ein wesentlicher Schritt zur Aufarbeitung.
Frage: Worum ging es im Kern bei dieser Klage?
Blazek: Der Insolvenzverwalter wollte Einblick in die internen Prüfungsunterlagen und Handakten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erhalten – insbesondere zur Prüfung der Jahresabschlüsse und einer forensischen Sonderuntersuchung („Projekt Ring“). Ziel ist es, zu klären, wer was wusste – und wann. Die Gesellschaft hatte in kritischen Jahren uneingeschränkte Testate vergeben, trotz massiver Zweifel.
Frage: Und der BGH hat das nun größtenteils erlaubt?
Blazek: Ja, der BGH hat klargestellt, dass der Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Auskunft und Einsicht nach § 666 BGB hat – und zwar für die Jahre 2016 bis 2019. Auch die Handakte zur Sonderuntersuchung muss offengelegt werden. Das Urteil verweist ausdrücklich auf die umfassende Rechenschaftspflicht des Beauftragten – hier der Prüfer – gegenüber dem Auftraggeber, also dem Unternehmen bzw. jetzt dem Verwalter.
Frage: Gab es Einschränkungen?
Blazek: Ja, teils. Für die Jahre 2014 und 2015 wurden die Ansprüche wegen Verjährung abgewiesen. Auch der Antrag, die Vernichtung der Unterlagen zu untersagen, blieb erfolglos – mangels konkreter Gefährdung. Dennoch: Der Zugriff auf kritische Unterlagen ist nun rechtlich möglich – und das zählt.
Frage: Was bedeutet das Urteil für ähnliche Fälle?
Blazek: Das Urteil ist ein Präzedenzfall. Insolvenzverwalter können sich nun klar auf § 666 BGB stützen, um Informationen von externen Beratern, Dienstleistern und Prüfern zu erhalten. Gerade bei komplexen Wirtschaftsskandalen ist Transparenz entscheidend, etwa um mögliche Haftungsansprüche gegen Dritte zu prüfen. Das Urteil wird sicher auch außerhalb des Wirecard-Kontexts Wirkung entfalten.
Frage: Was folgt jetzt?
Blazek: Der Insolvenzverwalter kann mit den Unterlagen prüfen, ob es Fehlverhalten oder Pflichtverletzungen des Prüfers gab – und gegebenenfalls Schadenersatzklagen vorbereiten. Gerade bei Wirecard ist das im Interesse der Gläubiger, die massive Verluste erlitten haben.
Frage: Ihr Fazit?
Blazek: Es ist ein Etappensieg für die Aufklärung. Der BGH hat deutlich gemacht: Wer prüft, trägt Verantwortung – und muss sich im Nachhinein erklären. Das ist nicht nur juristisch richtig, sondern notwendig für das Vertrauen in die Abschlussprüfung.
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