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„Ein juristischer Dammbruch mit Signalwirkung“

Tumisu (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum BGH-Beschluss vom 26. März 2025

Herr Blazek, der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts Hannover gegen eine Teilnehmerin eines illegalen Autorennens bestätigt – wegen Mordes. Ist das ein außergewöhnliches Urteil?

Daniel Blazek: Absolut. Dieses Urteil markiert einen Wendepunkt im deutschen Strafrecht. Zum ersten Mal hat ein Gericht in einem solchen Fall alle drei Mordmerkmale – Heimtücke, gemeingefährliches Mittel und niedrige Beweggründe – bejaht. Dass der BGH diese Einordnung nun bestätigt hat, ist mehr als eine rechtliche Absegnung: Es ist ein deutliches Signal, dass solche Rennen nicht länger als jugendliche Leichtsinnigkeit oder fahrlässiges Verhalten durchgehen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Welche rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen sind jetzt denkbar?

Das Urteil hat zweierlei Wirkung: Erstens für die Justiz. Es eröffnet den Gerichten in ähnlichen Fällen künftig die Möglichkeit, auch bei Straßenrennen von vorsätzlichem Tötungswillen – also Mord – auszugehen, wenn die Fahrer den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf nehmen.

Zweitens wirkt es präventiv – und das soll es auch. Es richtet sich an eine Szene, in der Geschwindigkeit, Ego und Social-Media-Ruhm oft mehr zählen als Menschenleben. Nun droht lebenslange Haft statt nur ein paar Jahre wegen fahrlässiger Tötung. Das verändert das Risiko massiv.

Der Fall war bereits in einem ersten Rechtsgang verhandelt worden – dort „nur“ wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Warum konnte nun im zweiten Durchgang eine Mordverurteilung erfolgen?

Im deutschen Strafprozess gilt eigentlich das sogenannte Verschlechterungsverbot: Wird ein Urteil nur vom Angeklagten angefochten, darf das neue Urteil nicht härter ausfallen. Im Fall der Angeklagten P. hatte aber auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, wodurch eine härtere Strafe möglich wurde. Und die neue Kammer kam zu dem Ergebnis, dass sich der Mordvorwurf tatsächlich begründen lässt.

Das Gericht stellte fest, dass die Angeklagten die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs sahen – und trotzdem weiter fuhren. Ist das ausreichend für Mord?

Im Strafrecht spricht man hier vom sogenannten bedingten Vorsatz: Der Täter erkennt die tödliche Gefahr und nimmt sie billigend in Kauf. Bei Tempo 180, Gegenverkehr, riskanten Überholmanövern – da kann man als Fahrer kaum sagen, man habe „nicht damit gerechnet“, dass etwas passiert. Wenn man dann trotzdem weiter aufs Gas tritt, ist die Schwelle zum Tötungsvorsatz überschritten – so sieht es jetzt auch der BGH.

Kritiker könnten sagen: Das war kein geplanter Mord, sondern ein eskalierter Straßenwettkampf. Ist der Mordbegriff damit nicht zu weit gedehnt?

Nein, denn das Mordmerkmal „gemeingefährliches Mittel“ greift genau in solchen Situationen. Ein Fahrzeug mit 180 km/h auf der Gegenfahrbahn wird zur unkontrollierbaren Waffe. Dazu kommt Heimtücke: Die Opfer – darunter zwei Kinder – wurden völlig arglos getroffen, konnten sich nicht schützen. Und die niedrigen Beweggründe? Es ging den Fahrern schlicht um Machtdemonstration und Eitelkeit. Das genügt für das Mordmerkmal.

Welche Bedeutung hat das Urteil für andere Verfahren – etwa in der Raser-Szene oder bei illegalen Tuning-Treffen?

Es könnte die juristische Schwelle senken, Raser künftig härter anzuklagen, insbesondere wenn Dritte zu Schaden kommen. Die Staatsanwaltschaften werden nun mit größerem Selbstbewusstsein auf Mord oder versuchten Mord plädieren, statt nur auf fahrlässige Tötung. Gleichzeitig wird es für Verteidiger schwieriger, solche Taten als bloße Eskalation ohne Tötungsvorsatz darzustellen.

Könnte es auch zu gesetzlichen Reformen kommen?

Das ist denkbar. Das Urteil wird eine neue Diskussion über Strafrahmen und Definitionen im Straßenverkehrsrecht anstoßen – gerade im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Auch der § 315d StGB (verbotene Kraftfahrzeugrennen) könnte nochmal unter die Lupe genommen werden. Und ich rechne damit, dass die Gerichte künftig bei ähnlich gelagerten Fällen genauer hinschauen werden.

Ihr Fazit in einem Satz?

Das Urteil ist ein juristischer Paukenschlag – es zeigt: Wer mit 180 durch die Stadt rast, spielt nicht nur mit dem Leben anderer, sondern auch mit seiner eigenen Freiheit.

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