Wenn etwas stirbt, beginnt eine natürliche Uhr zu ticken: das radioaktive Kohlenstoff-14 (C-14). Dessen Entdeckung veränderte Archäologie, Forensik und Klimaforschung.
In den 1940er-Jahren suchte der US-Chemiker Willard Libby nach C-14 in der Natur. Seine Idee: Lebewesen nehmen während ihres Lebens ständig C-14 auf; nach dem Tod stoppt die Aufnahme und der Rest zerfällt mit bekannter Rate. Misst man, wie viel C-14 noch vorhanden ist, lässt sich das Sterbe- oder Herstellungsalter bestimmen. Den Beweis für natürlich vorkommendes C-14 fand Libby ausgerechnet in der Klärgasprobe der Stadt Baltimore – kurz darauf datierte er u. a. die Totenmeer-Schriftrollen. 1960 erhielt er dafür den Chemie-Nobelpreis.
Woher kommt C-14?
In der Hochatmosphäre wandeln kosmische Strahlen Stickstoff in C-14 um. Das bindet sich zu radioaktivem CO₂, wird von Pflanzen aufgenommen und gelangt über die Nahrungskette in Tiere und Menschen. Nach dem Tod setzt der C-14-Zerfall die Uhr in Gang. Praktisch datierbar sind organische Materialien bis ca. 50.000 Jahre.
Vom Milligramm zur Jahresgenauigkeit
Moderne Labore wie die Oxford Radiocarbon Accelerator Unit nutzen Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS). Damit lassen sich winzige Proben – etwa Knochen, Samen, Haare, Pergament, Holzkohle oder sogar versteinertes Fledermaus-Urin – hochpräzise datieren. Aufwändige Reinigungen entfernen Störstoffe, erst dann liefert das Gerät das Alter.
Eine Spezialität der Forensik ist die „Bombenpuls“-Methode: Atomwaffentests der 1950/60er erhöhten den globalen C-14-Gehalt. Weil dieser seither messbar abnimmt, lassen sich Proben aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts teils auf ±1 Jahr bestimmen. So wurden etwa Elfenbeinproben datiert, um Wilderei nach dem 1989er-Handelsverbot nachzuweisen – Beweise, die u. a. zur Verurteilung eines großen Schmugglers beitrugen. Auch Kunstfälschungen flogen so auf.
Geschichte, Klima – und Grenzen
Radiokarbondatierung ordnet Epochen und löst Streitfälle: Ein Skelett, das 1823 entdeckt wurde und lange für „nur“ 2.000 Jahre alt gehalten wurde, erwies sich als 33.000–34.000 Jahre alt – der älteste bekannte Bestattungsfund im Vereinigten Königreich.
In der Klimaforschung helfen C-14-Kurven, Modelle zu testen und Vergangenheitsklimata zu rekonstruieren – Arbeiten, die u. a. in IPCC-Berichte einfließen.
Doch es tickt eine zweite Uhr: Fossile Brennstoffe enthalten kein C-14 (zu alt). Ihre Emissionen verwässern den atmosphärischen C-14-Anteil. Im Extremfall könnten in Zukunft frisch produzierte Materialien dieselbe C-14-Signatur wie 2000 Jahre alte aufweisen – die Datierung würde ungenauer. Forschende verweisen zwar auf lange stabile Kalibrationskurven (z. B. aus Baumringen bis ~14.000 Jahre), warnen aber: Dauerhaft hohe Emissionen gefährden diese außergewöhnliche Präzision.
Fazit: Von Mumien bis Mammut, von Kriminalfällen bis Klima – die C-14-Uhr hat unser Verständnis der Welt revolutioniert. Ihre Genauigkeit zu bewahren, hängt jedoch auch davon ab, wie viel Kohlenstoff wir in die Luft blasen.
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