Herr Schlautmann, die Digitalisierung schreitet rasant voran. Welche Rolle spielen Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) in der Finanzbranche?
Tim Schlautmann: Die Finanzbranche setzt zunehmend auf KI und maschinelles Lernen, vor allem bei der Dokumentenverarbeitung, Betrugserkennung und im Risikomanagement. Viele Banken und Versicherer nutzen KI bereits in Backoffice-Prozessen, um Abläufe effizienter zu gestalten. Besonders generative KI wird getestet – sei es für interne Chatbots, automatisierte Kundenkommunikation oder Softwareentwicklung.
Welche Risiken sehen Sie beim Einsatz dieser Technologien?
Schlautmann: KI-Modelle sind oft schwer nachvollziehbar, was zu mangelnder Transparenz und Verzerrungen (Bias) führen kann. Das birgt rechtliche Risiken, etwa wenn KI-basierte Entscheidungen unfaire oder diskriminierende Ergebnisse liefern. Zudem besteht eine Abhängigkeit von großen Cloud-Anbietern, die KI-Modelle dominieren. In extremen Fällen könnte dies sogar die Finanzstabilität gefährden, wenn Marktteilnehmer durch automatisierte Prozesse ähnliche Entscheidungen treffen.
Neben KI wird auch Quantencomputing als Zukunftstechnologie genannt. Wie steht die Finanzbranche dazu?
Schlautmann: Quantencomputing ist noch nicht marktreif, aber erste Anwendungsfälle werden erforscht – vor allem in der Risikoberechnung und Portfoliooptimierung. Problematisch ist, dass Quantencomputer klassische Verschlüsselungen knacken könnten, was neue Sicherheitsmaßnahmen erforderlich macht. Das „Harvest now – decrypt later“-Problem zeigt: Finanzunternehmen müssen sich jetzt schon schützen, auch wenn der Durchbruch noch aussteht.
Auch der Kryptomarkt hat eine turbulente Entwicklung hinter sich. Welche Trends sehen Sie aktuell?
Schlautmann: Nach den Skandalen von 2023 hat sich der Kryptomarkt überraschend stark erholt. Vor allem die Einführung von Bitcoin-ETFs in den USA hat den Markt beflügelt, sodass die Marktkapitalisierung neue Allzeithochs erreicht hat. Ein wesentlicher Trend ist Liquidity-Staking und die Tokenisierung klassischer Finanzinstrumente, die immer mehr Einzug in die traditionellen Finanzmärkte hält.
Wie reagieren Regulierungsbehörden auf diese Entwicklungen?
Schlautmann: Die BaFin und andere Aufsichtsbehörden beobachten neue Technologien sehr genau. Sie setzen auf Dialoge mit FinTechs, um frühzeitig auf regulatorische Herausforderungen zu reagieren. Zudem fördern sie Formate wie „BaFin Pop-Up Embassies“, um Start-ups niedrigschwelligen Zugang zu Informationen über regulatorische Anforderungen zu bieten.
Was bedeutet das für Unternehmen wie Marketport?
Schlautmann: Unternehmen müssen agil bleiben, regulatorische Entwicklungen genau verfolgen und sich strategisch aufstellen. Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, aber auch Herausforderungen – vor allem in Bezug auf Compliance, IT-Sicherheit und Transparenz. Wer hier vorausschauend agiert, wird langfristig profitieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
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