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Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zur Verbraucherschlichtungsstelle der BaFin

Tumisu (CC0), Pixabay
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Herr Blazek, die BaFin-Schlichtungsstelle hat 2024 deutlich mehr Anfragen bearbeitet als im Vorjahr. Woran liegt das?

Daniel Blazek: Der Anstieg der Fälle ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: Erstens nimmt die Digitalisierung im Finanzsektor weiter zu, wodurch es häufiger zu Problemen mit digitalen Finanzdienstleistungen kommt. Zweitens hat es 2024 besonders viele Beschwerden über Neo-Broker gegeben, insbesondere im Bereich Depotführung, Wertpapiertransaktionen und Steuerabzüge.

Können Sie das genauer erläutern? Welche Probleme traten im Bereich Neo-Brokerage auf?

Blazek: Viele Beschwerden betrafen Depotüberträge, die nicht oder nur verzögert ausgeführt wurden, fehlerhafte oder nicht hinterlegte Anschaffungsdaten von Wertpapieren sowie Probleme bei der Besteuerung von Dividenden und Verkaufserlösen. Diese Fälle betrafen einige wenige Anbieter besonders häufig, weshalb die BaFin die Informationen an die zuständigen Aufsichtsbehörden weitergeleitet hat.

Wie läuft ein Schlichtungsverfahren bei der BaFin ab?

Blazek: Das Verfahren beginnt mit der Einreichung eines Antrags durch den Verbraucher. Die BaFin prüft dann zunächst, ob sie für den Fall zuständig ist. Falls nicht, wird der Antrag entweder abgelehnt oder an eine zuständige Schlichtungsstelle weitergeleitet. Ist die BaFin zuständig, wird der betroffene Finanzdienstleister zur Stellungnahme aufgefordert. Ziel ist eine einvernehmliche Lösung, oft durch einen Vergleich. Falls das nicht gelingt, gibt die BaFin eine Schlichtungsempfehlung ab.

Gibt es Fälle, in denen eine Schlichtung nicht möglich ist?

Blazek: Ja, das kommt vor. 2024 wurden 289 Anträge wegen Formfehlern abgelehnt, weitere 361 Anträge wurden an andere Stellen weitergeleitet, weil die BaFin nicht zuständig war. Zudem haben Antragsteller in 52 Fällen ihre Eingaben zurückgezogen, oft weil Beweise fehlten oder die Rechtslage unklar war. Die BaFin kann beispielsweise keine Zeugen vernehmen, was die Beweisführung erschwert.

Wie erfolgreich sind die Schlichtungen?

Blazek: In rund 75 % der Fälle, in denen die BaFin zuständig war, konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Das zeigt, dass viele Streitfälle ohne Gerichtsverfahren gelöst werden können.

Sind auch internationale Streitigkeiten Teil der Schlichtung?

Blazek: Ja, der Anteil grenzüberschreitender Streitigkeiten lag 2024 bei über 15 %. Viele dieser Fälle betrafen Beschwerden von ausländischen Kunden gegen deutsche Finanzdienstleister. Hier verweist die BaFin oft auf das FIN-NET, ein europäisches Netzwerk von Schlichtungsstellen, das Verfahren in mehreren Sprachen ermöglicht.

Was kostet eine Schlichtung?

Blazek: Für Verbraucher ist das Verfahren kostenfrei. Finanzdienstleister müssen eine Gebühr von 200 Euro pro Verfahren zahlen.

Welche Empfehlungen gibt die BaFin für Verbraucher, die einen Streitfall haben?

Blazek: Die BaFin empfiehlt, zunächst direkt mit dem Finanzdienstleister eine Lösung zu suchen. Falls das nicht klappt, sollte geprüft werden, welche Schlichtungsstelle zuständig ist, bevor ein Antrag eingereicht wird. Eine frühzeitige Klärung kann das Verfahren beschleunigen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Verbraucherschlichtung im Finanzsektor?

Blazek: Die Zahl der Schlichtungsfälle wird vermutlich weiter steigen, da die Digitalisierung und neue Finanztechnologien immer komplexer werden. Die Zusammenarbeit zwischen nationalen und internationalen Schlichtungsstellen wird daher noch wichtiger, um Verbraucher in einer globalisierten Finanzwelt besser zu schützen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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