Deutschland erlebt einen tiefgreifenden Wandel am Arbeitsmarkt: Immer mehr Menschen greifen zu einem Nebenjob, um ihr Einkommen aufzustocken, finanzielle Sicherheit zu gewinnen oder neue berufliche Wege auszuprobieren. Die aktuellen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, wie stark dieser Trend inzwischen ausgeprägt ist. Im dritten Quartal 2025 gingen 4,72 Millionen Beschäftigte einer Nebentätigkeit nach – ein deutlicher Anstieg um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Damit sind heute 11,2 Prozent aller Erwerbstätigen mehrfach beschäftigt. Mehr als jede*r Zehnte hat also mindestens zwei Jobs.
Doch nicht nur die Anzahl der Nebenjobs wächst. Auch der zeitliche Einsatz nimmt spürbar zu: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiteten im Durchschnitt 8,2 Stunden pro Woche in ihrem Nebenjob, gegenüber 8 Stunden im dritten Quartal 2024. Diese Entwicklung setzt einen langfristigen Trend fort, den Arbeitsmarktexperten schon seit Jahren beobachten: Nebenjobs werden intensiver, professioneller und für viele Menschen zu einem wesentlichen Bestandteil des monatlichen Einkommens.
Warum so viele Menschen einen Nebenjob haben
Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen tief in gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen hinein. Einer der zentralen Treiber sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Energie, Mieten, Lebensmittel und Mobilität sind für viele Haushalte spürbar teurer geworden. Ein zusätzlicher Job ermöglicht es, finanzielle Engpässe abzufedern oder sich finanziell unabhängiger aufzustellen.
Gleichzeitig hat der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren an Flexibilität gewonnen. Plattformen für Minijobs, Freelancing, Online-Dienstleistungen oder projektbasierte Arbeit bieten niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten in Zusatzjobs. Die Digitalisierung hat Möglichkeiten geschaffen, die früher kaum existierten – etwa das ortsunabhängige Arbeiten oder kurzfristige „Mikrojobs“, die sich problemlos in den Alltag integrieren lassen.
Doch Nebenjobs haben auch eine positive Seite: Viele Menschen nutzen sie, um berufliche Interessen auszuleben, neue Kompetenzen zu erwerben oder ein kleines Unternehmen aufzubauen. Manche verfolgen ihre Leidenschaften – etwa Kreativarbeit, Coaching oder handwerkliche Tätigkeiten – neben dem Hauptberuf und positionieren sich damit für berufliche Umorientierungen.
Chancen und Risiken – ein Balanceakt
Der Anstieg der Mehrfachbeschäftigung hat auch eine kritische Kehrseite. Arbeitsmarktforscher warnen vor möglichen Überlastungen, fehlenden Erholungsphasen und gesundheitlichen Risiken. Wer regelmäßig zwei oder mehr Jobs jongliert, gerät leicht in einen Teufelskreis aus Stress, Schlafmangel und fehlender Regeneration. Zudem steigt die Gefahr, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in prekäre Beschäftigungsverhältnisse abrutschen, in denen sozialversicherungspflichtige Absicherung fehlt.
Dennoch zeigt der Trend eindeutig: Für Millionen Beschäftigte ist der Nebenjob längst kein Ausnahmefall mehr. Er wird zunehmend zur Normalität – und teilweise sogar zur Notwendigkeit. Die steigende Zahl an Nebenjobs verändert nicht nur die Arbeitsrealität der Menschen, sondern auch die Herausforderungen für Arbeitgeber und Politik. Unternehmen müssen sich auf Beschäftigte einstellen, die mehrere Jobs parallel ausüben, während Gewerkschaften und Verbände verstärkt über faire Arbeitsbedingungen und Belastungsgrenzen diskutieren.
Ein Blick in die Zukunft
Die Zahlen des dritten Quartals 2025 zeichnen ein klares Bild: Der Nebenjob ist für viele Menschen mehr als ein Zuverdienst – er ist ein integraler Bestandteil der Erwerbsbiografie. Ob aus finanzieller Notwendigkeit, beruflichem Ehrgeiz oder persönlicher Erfüllung: Mehrfachbeschäftigung wird die Arbeitswelt auch in den kommenden Jahren prägen. Und es ist zu erwarten, dass der Anteil weiter steigt, solange wirtschaftlicher Druck, Arbeitskräftemangel und digitale Erwerbsmodelle diese Entwicklung begünstigen.
Deutschland jobbt zu – und dieser Trend verändert die Arbeitswelt nachhaltig.
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