Startseite Allgemeines „Cybertrading ist moderner Raubzug – nur ohne Maske“
Allgemeines

„Cybertrading ist moderner Raubzug – nur ohne Maske“

Clker-Free-Vector-Images (CC0), Pixabay
Teilen

Ein Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime über betrügerische Krypto- und Investmentplattformen

Herr Reime, was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Cybertrading-Betrug?

Jens Reime: Cybertrading ist eine moderne und leider sehr raffinierte Form des Anlagebetrugs. Es handelt sich dabei um fingierte Plattformen, auf denen mit Aktien, Kryptowährungen oder anderen Finanzprodukten angeblich gehandelt wird. Tatsächlich existieren diese Märkte nicht – das ganze System ist eine Illusion. Die Betroffenen investieren teils immense Summen, sehen scheinbar Gewinne auf dem Bildschirm – und verlieren am Ende alles.

Und wie gelingt es den Tätern, so viele Menschen zu täuschen?

Reime: Die Plattformen wirken professionell, sind grafisch ansprechend gestaltet, voll mit Charts, Kursen und angeblichen Referenzen prominenter Persönlichkeiten. Dazu kommt der persönliche Kontakt: Die Betrüger rufen ihre Opfer an, „beraten“ sie über Wochen hinweg, fordern Fernzugriff über Software wie TeamViewer oder AnyDesk – und bauen gezielt Vertrauen auf. Besonders perfide ist: Die Anleger können auf gefälschten Online-Depots verfolgen, wie ihr Geld scheinbar wächst. Und genau das motiviert sie oft zu weiteren Überweisungen.

Gibt es bestimmte Warnsignale, die Anleger erkennen können?

Reime: Ja, es gibt einige rote Linien:

  • Unrealistische Gewinnversprechen: Niemand verspricht Ihnen „garantierte“ 10 % Rendite pro Woche – außer jemand, der lügt.

  • Druck zum schnellen Handeln: Wenn Sie gedrängt werden, sofort zu investieren, sollten alle Alarmglocken läuten.

  • Fernzugriff auf Ihr Gerät: Kein seriöser Anbieter braucht Zugriff auf Ihren Computer.

  • Zahlungen auf private oder ausländische Konten: Seriöse Unternehmen haben geprüfte Firmenkonten und sitzen nicht anonym irgendwo im Nirgendwo.

Was passiert, wenn Betroffene dann ihr Geld zurückfordern?

Reime: Dann beginnt meist der zweite Teil des Betrugs. Entweder bricht der Kontakt einfach ab – oder es werden weitere Gebühren, angebliche Steuern oder Versicherungen für die Auszahlung verlangt. Viele zahlen dann erneut. Und wenn das noch nicht reicht, kommt oft die „nächste Welle“: Eine angebliche Kanzlei meldet sich und verspricht, gegen eine Vorabzahlung das Geld zurückzuholen. Auch das ist Teil der Masche – der sogenannte Recovery Scam.

Gibt es offizielle Stellen, an die man sich im Verdachtsfall wenden kann?

Reime: Absolut. Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) warnt regelmäßig vor unseriösen Anbietern. Dort findet man auch Listen von bekannten Betrugsplattformen. Und natürlich sollte man bei jedem Verdachtsfall Strafanzeige bei der Polizei stellen und die eigene Bank informieren – möglicherweise kann man Zahlungen rückgängig machen. Wichtig: Niemals weiter mit den Tätern kommunizieren!

Wie groß ist das Ausmaß dieses Betrugs inzwischen?

Reime: Dramatisch. Allein in Sachsen wurden zwischen 2019 und 2024 rund 4.800 Fälle von Cybertrading-Betrug gemeldet – mit einem Gesamtschaden von über 190 Millionen Euro. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Betroffene schämen sich und gehen nicht zur Polizei. Aber genau das ist falsch. Nur wer sich meldet, hilft auch anderen, nicht auf diese Täter hereinzufallen.

Was raten Sie abschließend allen, die im Internet investieren möchten?

Reime: Vorsicht ist keine Schwäche, sondern Ihre beste Versicherung. Glauben Sie keinem schnellen Reichtum. Prüfen Sie jeden Anbieter gründlich – Impressum, BaFin-Lizenz, Erfahrungsberichte. Und wenn jemand sagt: „Das ist Ihre letzte Chance auf den großen Gewinn“ – dann ist es meist die erste auf den großen Verlust.


Hinweis der Redaktion:
Weitere Informationen und Warnungen vor unseriösen Tradingplattformen finden Sie auf der Website der BaFin unter www.bafin.de. Wer Opfer eines Betrugs geworden ist, sollte unverzüglich Anzeige erstatten und seine Bank kontaktieren.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Bondi Beach: Australischer Premier spricht von antisemitischem Terroranschlag

Nach dem tödlichen Angriff auf ein jüdisches Chanukka-Fest am Bondi Beach hat...

Allgemeines

Anschlag in Bondi: Zehn Opfer namentlich bestätigt – darunter ein Kind, Rabbiner und ein Holocaust-Überlebender

Nach dem tödlichen Schusswaffenangriff während einer Veranstaltung zum jüdischen Chanukka-Fest am Sonntag...

Allgemeines

Trump-Regierung will Finanzierung für Behindertenrechte kürzen – Experten schlagen Alarm

Die Regierung von Präsident Donald Trump steht wegen geplanter drastischer Kürzungen bei...

Allgemeines

Studie: Zwei Drittel der US-Verbraucher kämpfen mit hohen Lebensmittelkosten

Mehr als zwei Drittel der US-Verbraucherinnen und -Verbraucher haben laut einer aktuellen...