Conti 154. Schifffahrts-GmbH & Co. Bulker KG MS „Conti Selenit“

Landgericht Hamburg Gerichtlicher Teil Vorlagebeschluss
319 OH 12/19
Conti 154. Schifffahrts-GmbH & Co. Bulker KG MS „Conti Selenit“
08.04.2019

Landgericht Hamburg

Az.: 319 OH 12/19

Beschluss

In der Sache

der vom Hanseatischen Oberlandesgericht nach § 2 KapMuG zu bestimmenden Musterkläger

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Witt, Habersaathstraße 58, 10115 Berlin

gegen

1)

Bremer Bereederungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch den Geschäftsführer Joachim Zeppenfeld, Martinistraße 61, 28195 Bremen

– Antragsgegnerin –
2)

CONTI Reederei Management GmbH & Co. Konzeptions KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin Conti Reederei Management GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Josef Obermeier, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg

– Antragsgegnerin –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Weiss, Walter, Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 19 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Palder, die Richterin am Landgericht Schwabe und die Richterin am Landgericht Dr. Engels am 03.04.2019:

I. Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterbescheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:

1. Der am 19.11.2009 von der Beklagten zu 2) für die Beteiligung an der CONTI 154. Schifffahrts-GmbH & Co. Bulker KG MS „CONTI SELENIT“ veröffentlichte Prospekt ist in folgenden Punkten unrichtig, unvollständig und fehlerhaft:

(1)

Die Markterwartungen für Bulker sind fehlerhaft dargestellt, da
(a) der Emissionsprospekt keinen Hinweis auf die beginnende Überkapazität auf dem Bulker-Markt enthält,
(b) die Behauptung auf Seite 20 des Prospekts, dass „zusammenfassend (…) das hohe Verschrottungspotential der aktuellen Flotte, zu erwartende Orderstornierungen und eine Erholung der Weltwirtschaft mit einer Zunahme des Welthandels mittelfristig für ein positives Marktumfeld für die Bulker-Flotte“ sprechen würden, aufgrund der tatsächlichen Marktlage unvertretbar war,
(c) die Behauptung auf Seite 21 des Prospekts, dass von einem „lukrativen Marktumfeld für die MS „CONTI SELENIT“ auszugehen sei, aufgrund der beschränkten Einsatzfähigkeit eines Panamax-Bulkers mit unter 80.000 tdw ab November 2009 unvertretbar war,
(d) die Behauptung auf Seite 7 des Prospekts, dass die Bulkerschifffahrt ein „Wachstumsmarkt“ sei, aufgrund der tatsächlichen Marktlage im November 2009 falsch ist,
e) nicht mitgeteilt wird, dass das prognostizierte Flottenwachstum von 5,5 % p.a. bis 2013 für das Segment der Panamax-Bulker im Vergleich zum Gesamtwachstum der Bulkerflotte von 24,16 % p.a. bis 2012 nur deshalb so gering ist, weil die Durchschnittsgröße von Neubauaufträgen bei Bulkern bereits im Jahr 2009 bei über 80.000 dwt lag,
(f) nicht mitgeteilt wird, dass durch den Neubau des Pananmakanals der Wettbewerbsvorteil der Panamax-Bulker mit einer Breite von <32,3 m wegfällt,
(g) nicht mitgeteilt wird, dass sich das prognostizierte weitere Kapazitätswachstum der Bulker Flotte aufgrund der beginnenden Überkapazität auf den Bulker Markt negativ auswirkt.

(2)

Die Risiken der Beteiligung sind falsch dargestellt, da
(a) der Prospekt nicht auf den drohenden Preisverfall der Charterraten durch die beginnenden Überkapazitäten auf dem Bulker-Markt hinweist,
(b) der Prospekt nicht darauf hinweist, dass die beginnende Überkapazität auf dem Bulk-Carrier-Markt den Wert des Schiffes und damit den Verkaufspreis negativ beeinflusst,

2. Die Beklagten zu 1) und zu 2) waren nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB bezüglich der in Ziffer 1 genannten Kapitalanlage verpflichtet, über die unter Ziffer (1 a) bis (2 b) genannten Prospektmängel aufzuklären.

3. Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer (1 a) bis (2 b) aufgeführten Prospektmängel für die Beklagten zu 1) und zu 2) bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit üblicher Sorgfalt erkennbar waren und diese schuldhaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gehandelt haben.

II. Dieser Vorlagebeschluss ist gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich zu machen.

Gründe:

I.
Die Antragsteller der diesem Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Musterverfahrensanträge nehmen die Antragsgegner auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der „MS Conti Selenit“. Sie stützen ihre Ansprüche auf Prospekthaftung gemäß §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Die Antragsgegnerin zu 2) ist eine Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Antragsgegnerin zu 1) ist im Dezember 2008 als Kommanditistin in die Fondsgesellschaft eingetreten. Es handelt sich um einen Schifffonds, der den Erwerb und den Betrieb eines Bulker-Schiffes (Massengutschiff für Schüttgut) zum Gegenstand hat.

Zur Aufklärung über die Kapitalanlage bedienten sich die Antragsgegnerinnen des in der Wiedergabe der Feststellungsziele benannten Emissionsprospekts. Dieser bildete die Grundlage des Beteiligungsangebots in den jeweiligen Ausgangsverfahren. Die Antragsteller halten diesen Prospekt aus einer Vielzahl von Gründen für fehlerhaft. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Begründung der – gleichlautenden – Musterverfahrensanträge Bezug genommen. Die Antragsgegnerinnen bestreiten Prospektfehler und erheben die Einrede der Verjährung.

II.
Der Antrag ist zulässig.

Das Landgericht Hamburg ist für die Entscheidung über die Musterverfahrensanträge gemäß § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig, weil ausweislich des Klageregisters beim Landgericht Hamburg der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt worden ist.

Bislang sind laut Klageregister 10 gleichgerichtete Musterverfahrensanträge in den folgenden Ausgangsverfahren anhängig und bekannt gemacht worden, die alle beim Landgericht Hamburg eingegangen sind.

319 O 8/19
319 O 290/18 (5 Musterverfahrensanträge von unterschiedlichen Klägern)
319 O 107/18
319 O 151/18 (2 Musterverfahrensanträge von unterschiedlichen Klägern)
319 O 66/18
Dass die Veröffentlichungen der Musterverfahrensanträge zu den Az. 319 O 8/19 und 319 O 290/18 wenige Tage nach dem Ablauf von 6 Monaten nach der ersten Veröffentlichung zum Az. 319 O 66/18 am 12.09.2018 erfolgt sind, ist nach Auffassung der Kammer unschädlich, wie bereits in dem Parallelverfahren 319 OH 7/18 ausgeführt worden ist. Die Kammer hält die 6-Monats-Frist des § 6 Abs. 1 und Abs. 5 KapMuG nicht für eine Ausschlussfrist, vielmehr ist die Kammer der Auffassung, dass mit dem Ablauf des Zeitfensters von 6 Monaten gemäß § 6 Abs. 1 und Abs. 5 KapMuG lediglich die Wartefrist endet und das Gericht dann gemäß § 6 Abs. 1 oder Abs. 5 KapMuG positiv oder negativ entscheiden muss. Die bereits gestellten Anträge werden aber durch den Ablauf des Zeitfensters nicht unwirksam. Sind bis zur Entscheidung des Gerichts noch weitere Anträge bekannt gemacht worden, sind diese zu berücksichtigen. Die Fristüberschreitung ist geheilt und hat dann keine weiteren Auswirkungen mehr. Es reicht also aus, dass das Quorum von zehn Verfahren mit gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen erst nach Ablauf des Zeitfensters von 6 Monaten, aber vor dem Erlass der zurückweisenden Entscheidung nach Abs. 5 erreicht wird (vgl. Kölner Kommentar zum KapMuG/Vollkommer, § 6 Rn. 43).

Diese Rechtsauffassung steht nicht im Widerspruch zu den Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (Bundestagsdrucksache 17/8799). Richtig ist, dass § 6 Abs. 1 KapMuG neue Fassung für das Erreichen des Quorums nicht mehr – wie die Vorgängerregelung – auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung abstellt. Wie sich aus den o.g. Materialien ergibt, ist Grund hierfür, dass der Beklagte „durch die maßgebliche und jederzeit im Klageregister ersichtliche Bekanntmachung schon unmittelbar nach Ablauf der Frist Klarheit darüber (gewinnen soll), ob das Quorum erfüllt ist“ (S. 19 der BT-Drs.). Das spricht nach Ansicht der Kammer aber nicht dagegen, auch Veröffentlichungen zu berücksichtigen, die kurz nach Ablauf der sechs Monate, aber vor der Entscheidung des Gerichts gemäß § 6 KapMuG veröffentlicht werden. Die Publizitätswirkung bleibt auch in dem Fall erhalten.

Gegen die Annahme einer Ausschlussfrist spricht, dass es in vielen Fällen nicht in der Macht des Kapitalanlegers und Klägers steht, ob ein rechtzeitig gestellter Musterverfahrensantrag vor Ablauf der 6-Monatsfrist des § 6 KapMuG veröffentlicht wird. Vielmehr kommt es unter anderem auf die Bearbeitungsdauer seitens des Gerichts und das prozessuale Verhalten der Beklagten (z.B. Antrag auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme, Bestreiten der Prozessvollmacht etc.) an.

Hinzukommt, dass dieses Verständnis auch der Systematik des Kapitalanleger- Musterverfahrensgesetzes entspricht, wonach ein zurückgewiesener Musterverfahrensantrag sofort wieder neu gestellt werden kann (vgl. Kölner Kommentar zum KapMUG/Vollkommer, § 6, Rn. 44).

Nach allem ist die Kammer der Auffassung, dass eine „verspätete“ Veröffentlichung der hiesigen Musterverfahrensanträge beachtet werden muss und daher ein Zurückweisungsbeschluss gemäß § 6 Abs. 5 KapMuG nicht mehr erlassen werden kann.

Die Zivilkammer 19 ist innerhalb des Landgerichts Hamburg für den Vorlagebeschluss zuständig, weil der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag bei ihr eingegangen ist.

Rechtsbehelfsbelehrung

Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.

 

Palder

Vorsitzende Richterin
am Landgericht

Schwabe

Richterin
am Landgericht

Dr. Engels

Richterin
am Landgericht

 

Leave A Comment