Der globale Mangel an Halbleitern zieht neue Kreise: Der Automobilzulieferer Bosch hat wegen stockender Chiplieferungen des niederländisch-chinesischen Herstellers Nexperia Kurzarbeit für sein Werk in Salzgitter beantragt. Betroffen könnten nach Schätzungen des Betriebsrats bis zu 400 der rund 1.400 Beschäftigten sein.
Das Werk, das als Leitstandort für Motorsteuergeräte gilt, kämpft derzeit mit massiven Engpässen bei zentralen Bauteilen. Nach Unternehmensangaben habe man deshalb „flexibel auf Produktionsanpassungen reagiert“ und das bewährte Instrument der Kurzarbeit aktiviert. Ein Sprecher erklärte, man stehe weiterhin vor „großen Herausforderungen“ in der Lieferkette, arbeite jedoch an Übergangslösungen und alternativen Beschaffungswegen.
Nexperia-Streit zwischen China, den Niederlanden und den USA
Der Engpass hat eine geopolitische Dimension: Das Halbleiterunternehmen Nexperia war in den vergangenen Wochen ins Zentrum eines Handelskonflikts zwischen Peking, Washington und Den Haag geraten. Nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über den Konzern – der einem chinesischen Eigentümer gehört – ausgeweitet hatte, stellte Nexperia den Versand von Chips aus China ein.
In der Folge geriet die Belieferung vieler europäischer Autozulieferer ins Stocken. Interne Schätzungen zufolge sollen allein in Salzgitter über 100 verschiedene Chiptypen betroffen sein. Diese werden in rund 50 Gerätefamilien verbaut – was bis zu 80 Prozent des Produktionsvolumens des Werks ausmachen könnte.
Kurzarbeit nach Überstundenphase
Laut Betriebsrat verfügen viele Beschäftigte derzeit noch über Überstundenkonten, die zunächst abgebaut werden müssen, bevor Kurzarbeit tatsächlich greift. Dennoch bereitet sich Bosch auf eine mehrwöchige Phase reduzierter Produktion vor. „Wir sprechen nicht von einem kompletten Stillstand, aber von spürbaren Einschränkungen“, heißt es aus Unternehmenskreisen.
Autoindustrie warnt vor Produktionsstopps
Der drohende Mangel an sogenannten Basischips, die in nahezu allen Steuerungssystemen von Fahrzeugen verbaut sind, beunruhigt die gesamte Branche. Hersteller warnen, dass Produktionsketten kurzfristig stillstehen könnten, sollte sich die Versorgungslage nicht entspannen.
Die chinesische Regierung signalisierte zuletzt Entgegenkommen und kündigte an, Exporte in Ausnahmefällen wieder zu genehmigen. Unternehmen müssten dafür jedoch Einzelanträge stellen, deren Bearbeitung mehrere Wochen dauern könne.
Bosch teilte mit, man nutze die Zeit, um Lagerbestände besser zu verwalten und Alternativlieferanten zu prüfen. Man hoffe auf eine „rasche politische Lösung zwischen den beteiligten Staaten“, so das Unternehmen.
Die Chipkrise zeigt damit einmal mehr, wie abhängig die europäische Industrie von globalen Lieferketten bleibt – und wie empfindlich selbst kleine Störungen die Produktion im Zentrum der deutschen Wirtschaft treffen können.
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