Die Autos auf Europas Straßen werden immer größer, schwerer und breiter – ein Trend, den Kritiker inzwischen als „Carspreading“ bezeichnen. Ob SUVs, Pickups oder Luxuslimousinen: Die Nachfrage boomt, doch Städte wie Paris und Cardiff schlagen Alarm. Ihr Argument: Die wuchtigen Fahrzeuge beanspruchen zu viel Platz, gefährden andere Verkehrsteilnehmer und belasten Umwelt und Infrastruktur.
Paris macht ernst
In Paris hat die Stadtregierung unter Bürgermeisterin Anne Hidalgo 2024 eine drastische Maßnahme eingeführt: Die Parkgebühren für besonders schwere Fahrzeuge wurden verdreifacht – auf bis zu 225 € für sechs Stunden im Zentrum. Der Effekt: Die Zahl solcher Fahrzeuge auf Pariser Straßen ist laut Stadtverwaltung um zwei Drittel gesunken.
Auch Cardiff hat höhere Parkgebühren für Autos über 2.400 kg eingeführt. Die Begründung: Mehr Emissionen, mehr Straßenschäden, mehr Unfallrisiko.
SUVs auf dem Vormarsch – trotz Kritik
SUVs stellen mittlerweile fast 60 % der Neuwagenverkäufe in Europa, verglichen mit nur 13 % im Jahr 2011. Käufer schätzen die Sitzhöhe, das Raumangebot und das Gefühl von Sicherheit. Gerade Familien oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität bevorzugen SUVs – auch auf dem Land, wo der Nahverkehr schwach ausgebaut ist.
Doch mit dem Boom kommen Probleme: Standard-Parkplätze (1,80 m breit) sind für viele neue Modelle inzwischen zu schmal. In engen Straßen – etwa in London oder Küstenorten wie Cornwall – wird das Durchkommen zunehmend schwierig.
Sicherheit für wen?
Größere Autos schützen zwar besser bei Unfällen für die Insassen, doch laut Studien steigt das Risiko für Fußgänger und Radfahrer erheblich – etwa durch höhere Motorhauben, größere tote Winkel und mehr Aufprallwucht. Eine belgische Untersuchung ergab, dass 10 cm mehr Haubenhöhe die Tödlichkeitsrate um 27 % erhöht.
Umweltbilanz durchwachsen
Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) stoßen SUVs etwa 20 % mehr CO₂ aus als mittelgroße Pkw – trotz Fortschritten bei Effizienz und E-Mobilität. Zwar ist inzwischen jeder vierte SUV in Europa elektrisch, doch deren hohes Gewicht bleibt ein Problem, auch für Straßenbeläge und Reifenabrieb.
Der französische Weg: Steuer nach Gewicht
Frankreich erhebt bereits eine Zulassungssteuer für Autos über 1.600 kg, gestaffelt bis zu 30 € pro Kilo ab 2.100 kg. Elektroautos sind ausgenommen – noch. In Extremfällen kann die Steuer bis zu 70.000 € betragen.
Umweltverbände wie T&E fordern ähnliche Regelungen für Großbritannien, das laut ihnen ein „Steuerparadies für große Autos“ sei.
Die Rückkehr des Kleinwagens?
Trotz SUV-Dominanz kommen neue kompakte E-Autos auf den Markt, etwa BYD Dolphin Surf, Hyundai Inster oder der neue Renault 5. Sie sind günstiger, leichter und ideal für Städte – doch deren Herstellung bleibt ein wirtschaftliches Risiko.
Fazit: Trendwende in Sicht?
Die Städte setzen erste Signale gegen die „SUVisierung“ des Alltagsverkehrs. Ob durch Strafsteuern, Parkplatzgebühren oder gezielte Förderungen für kleine E-Autos – der Kampf gegen das „Carspreading“ hat begonnen. Aber solange große Autos mit hohen Margen verkauft werden, bleibt die Frage: Wer traut sich, den Boom wirklich zu stoppen?
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