Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Bekanntmachung der Begründung zur Vierten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung

Bundesministerium
der Justiz und für Verbraucherschutz

Bekanntmachung
der Begründung
zur
Vierten Verordnung
zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung

Vom 7. Dezember 2021

Nachstehend wird die Begründung zur Vierten Verordnung zur Änderung der ­Mindestunterhaltsverordnung vom 30. November 2021 (BGBl. I S. 5066) bekannt gegeben (Anlage).

Berlin, den 7. Dezember 2021

Bundesministerium
der Justiz und für Verbraucherschutz

Im Auftrag
Dr. Heger

Anlage

Begründung
zur
Vierten Verordnung
zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Ziel der Rechtsverordnung ist es, den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gemäß § 1612a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) neu festzulegen. Die Notwendigkeit der Regelung ergibt sich aus § 1612a Absatz 1 Satz 2 BGB. Danach richtet sich der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum minderjähriger Kinder. Die Bundesregierung legt hierfür alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vor (zuletzt 13. Existenzminimumbericht, Bundestagsdrucksache 19/​22800). Hinsichtlich der betragsmäßigen Festlegung des Mindest­unterhalts verweist § 1612a Absatz 4 BGB auf die ebenfalls alle zwei Jahre zu erlassende Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Rechtsverordnung wird im Verhältnis zu dem Existenzminimumbericht jedoch zeitlich um ein Jahr versetzt erlassen. Für das zweite Jahr des in der Rechtsverordnung zu regelnden Zeitraumes fehlen dementsprechend Angaben aus dem Existenzminimumbericht, so dass insoweit stets eine Prognose auf der Grundlage des Existenzminimumberichts zu treffen ist. Zuletzt ist der Mindestunterhalt durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 3. November 2020 (BGBl. I S. 2344) ­festgelegt worden. Zur Gewährleistung des Existenzminimums des Kindes nach § 1612a Absatz 1 Satz 2 BGB war eine Korrektur des in Artikel 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 12. September 2019 (BGBl. I S. 1393) für das Jahr 2021 festgelegten Mindestunterhalts notwendig. Eine Neufestlegung des Mindestunterhalts ist damit wieder im regulären Turnus für die Jahre 2022 und 2023 vorzunehmen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Mit der Rechtsverordnung wird gemäß § 1612a Absatz 4 BGB der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder entsprechend der Vorgabe in § 1612a Absatz 1 BGB gegliedert nach drei Altersstufen für die Jahre 2022 und 2023 festgelegt. Bezugspunkt ist das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum des minderjährigen Kindes. Der 13. Existenzminimumbericht (Bundestagsdrucksache 19/​22800) enthält zu dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenz­minimum eines Kindes für das Jahr 2022 konkrete Feststellungen. Die Festlegung des Mindestunterhalts ab dem 1. Januar 2022 orientiert sich an diesem Betrag. Zur Festlegung des Mindestunterhalts ab dem 1. Januar 2023 wird für die Zwecke dieser Rechtsverordnung dem Sondereffekt Rechnung getragen, dass sich die Senkung der Umsatzsteuersätze dämpfend auf die Entwicklung des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums für das Jahr 2022 ausgewirkt hat. Dazu wird eine modifizierte Entwicklung des steuerlich freizustellenden sächlichen Existenz­minimums minderjähriger Kinder vom Jahr 2021 zum Jahr 2022 ermittelt; diese rein rechnerische Steigerungsrate wird sodann zur Fortschreibung für das Jahr 2023 zugrunde gelegt.

III. Alternativen

Keine.

IV. Regelungskompetenz

Die Regelungskompetenz ergibt sich aus § 1612a Absatz 4 BGB. Danach hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Mindestunterhalt alle zwei Jahre, erstmals zum 1. Januar 2016, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festzulegen. Ergibt sich zu einem früheren Zeitpunkt, dass der festgelegte Mindestunterhalt vom steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des Kindes abweichen wird, steht es dem Verordnungsgeber frei, bereits früher tätig zu werden.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die Regelungen sind mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VI. Regelungsfolgen

1.
Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Die Rechtsverordnung enthält keine Regelungen zur Vereinfachung von Verwaltungsverfahren.
2.
Nachhaltigkeitsaspekte
Der Entwurf der Rechtsverordnung steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen dient. Indem die Regelung vorsieht, den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder zu erhöhen, leistet sie u. a. einen Beitrag zu Ziel 10 („Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern“), hier besonders zu Ziel 10.3 („Chancengleichheit gewährleisten und Ungleichheit der Ergebnisse reduzieren, namentlich durch die Abschaffung diskriminierender Gesetze, Politiken und Praktiken und die Förderung geeigneter gesetzgeberischer, politischer und sonstiger Maßnahmen in dieser Hinsicht“) der Agenda 2030. Die Erhöhung dient auch der Erreichung von Ziel 1 „Armut in allen ihren Formen und überall beenden“. Insbesondere steht die Orientierung des Mindestunterhalts am sächlichen Existenzminimum im Kontext von Unterziel 1.3 „Den nationalen Gegeben­heiten entsprechende Sozialschutzsysteme und -maßnahmen für alle umsetzen (…)“.
Der Entwurf der Rechtsverordnung entspricht somit dem Prinzip 5 („Sozialen Zusammenhalt in einer offenen ­Gesellschaft wahren und verbessern“) der Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, das als Unterpunkt formuliert: „Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken und niemanden zurückzulassen, sollen … Armut und soziale Ausgrenzung soweit wie möglich überwunden bzw. ihnen vorgebeugt und inklusiver Wohlstand gefördert werden.“
3.
Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Durch die vorgesehene Anhebung des Mindestunterhalts ab dem 1. Januar 2022 um monatlich 4 Euro im Ausgangsbetrag erhöht sich gemäß § 2 Absatz 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl. I S. 1446), das zuletzt durch Artikel 38 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) geändert worden ist, auch die Unterhaltsvorschussleistung. Hierdurch entstehen für Bund und Länder zusammen weitere Mehrausgaben im Jahr 2022 in Höhe von rund 42 Millionen Euro. Davon entfallen auf den Bund rund 17 Millionen Euro und auf die Länder rund 25 Millionen Euro. Diese Berechnung berücksichtigt die nach Entwicklung der Fallzahlen in der Geschäftsstatistik zum Unterhaltsvorschussgesetz anzunehmende Altersverteilung der leistungsberechtigten Kinder, die an diese gezahlten Leistungen und die sich im Verhältnis zu den Zahlbeträgen in 2021 ab 2022 ergebenden Änderungen.
Die aus der Erhöhung des Mindestunterhalts resultierenden höheren Unterhaltszahlbeträge barunterhaltspflichtiger Elternteile und Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz werden als Einkommen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) berücksichtigt. Dadurch ergeben sich zugleich Einsparungen in Höhe von rund 24 Millionen Euro. Die Einsparungen im Jahr 2022 belaufen sich beim Bund auf rund 17 Millionen Euro und bei den Kommunen auf rund 7 Millionen Euro. Im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) ergeben sich im Jahr 2022 Minderausgaben von etwa 400 000 Euro. Beim Wohngeld ergeben sich im Jahr 2022 geringe, nicht quantifizierbare Ausgabenminderungen, die sich Bund und Länder teilen. Beim Kinderzuschlag werden sich im Jahr 2022 Einsparungen für den Bund in Höhe eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags ergeben.
4.
Erfüllungsaufwand
Die Regelungen führen zu keiner Änderung des Erfüllungsaufwandes für Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und die Verwaltung.
5.
Weitere Kosten
Keine. Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
6.
Weitere Regelungsfolgen
Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten; auch demografische und verbraucherpolitische Auswirkungen sind nicht ersichtlich.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung oder Evaluierung ist nicht vorgesehen. Gemäß § 1612a Absatz 4 BGB ist zum 1. Januar 2024 eine neue Rechtsverordnung zu erlassen. Es ist nicht mit evaluationsbedürftigen Veränderungen zu rechnen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Festlegung des Mindestunterhalts)

Der Mindestunterhalt als zentrale Bezugsgröße für die Bemessung des Unterhalts minderjähriger Kinder richtet sich gemäß § 1612a Absatz 1 Satz 2 BGB unmittelbar nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum eines minderjährigen Kindes. Zur Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern legt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht vor, zuletzt den 13. Existenzminimumbericht (Bundestagsdrucksache 19/​22800). Ausgehend von diesem Bericht wird der konkrete Betrag des Mindestunterhalts gemäß § 1612a Absatz 4 BGB zum 1. Januar 2022 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, festgelegt.

Der 13. Existenzminimumbericht stellt das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum für den Veranlagungszeitraum 2022 dar. Zusätzlich weist der Bericht auch das entsprechende Existenzminimum für das Jahr 2021 aus. Danach beträgt das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum eines minderjährigen Kindes im Jahr 2021  5 412 Euro (monatlich 451 Euro) und im Jahr 2022  5 460 Euro (monatlich 455 Euro). Die Entwicklung vom Jahr 2021 zum Jahr 2022 entspricht einer Steigerungsrate von 0,89 Prozent.

Entsprechend dem Ergebnis des 13. Existenzminimumberichts wird der Mindestunterhalt ab dem 1. Januar 2022 im Ausgangsbetrag auf monatlich 455 Euro festgelegt. Für die Zwecke dieser Rechtsverordnung erfolgt zur Festlegung des Mindestunterhalts ab 1. Januar 2023 und ohne Präjudiz für die zukünftige Berechnung im Existenzminimum­bericht eine Fortschreibung anhand einer modifizierten Steigerung des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines minderjährigen Kindes vom Jahr 2021 auf das Jahr 2022 im 13. Existenzminimumbericht, um eine realistische Entwicklung für das Jahr 2023 abzuschätzen. Die Modifizierung rechtfertigt sich durch folgenden preisstatistischen Sondereffekt, dessen dämpfende Wirkung sich auf die Fortschreibung des Regelbedarfs für das Jahr 2022, nicht aber auf die Fortschreibung für das Jahr 2023 auswirkt: Die temporäre Senkung der Umsatzsteuersätze als Corona-bedingte konjunkturpolitische Maßnahme hat die für die Regelbedarfsfortschreibung zum 1. Januar 2022 maßgebliche Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise gedämpft (+ 0,1 Prozent, vgl. Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2022 – RBSFV 2022, Bundesratsdrucksache 719/​21, S. 8) und sich somit auch auf den ­sozialrechtlichen Regelbedarf als Bestandteil des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums ausgewirkt.

Diesem Sondereffekt wird für die Zwecke dieser Rechtsverordnung und unter Wahrung der Berechnungsmethode im Existenzminimumbericht bei der Fortschreibung des Mindestunterhalts für das Jahr 2023 Rechnung getragen, indem beim fiktiven Regelbedarf für das Jahr 2022 eine stärkere Anhebung unterstellt wird als es tatsächlich der Fall ist. Dazu wird eine Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise entsprechend der Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Löhne (+ 2,31 Prozent vgl. RBSFV 2022, S. 8) angenommen. Mit dem sich danach insgesamt für das Jahr 2022 rein rechnerisch ergebenden Betrag für das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum von 5 508 Euro (monatlich 459 Euro) ergibt sich eine dieser Verordnung zugrundeliegende Steigerungsrate von 1,77 Prozent. Die Werte im 13. Existenzminimumbericht lassen keine weiteren einmaligen Sondereffekte erkennen, die einer derartigen Fortschreibung entgegenstehen würden. Auch ist derzeit nicht ersichtlich, dass sich durch hinreichend absehbare ­Sondereffekte im Jahr 2023 andere Steigerungsraten ergeben könnten und begründen ließen. Es wird daher eine Steigerungsrate von 1,77 Prozent zugrunde gelegt und davon ausgegangen, dass damit die Entwicklung für das Kalenderjahr 2023 angemessen prognostiziert wird. Damit wird auch der Begründung zu Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2015 (BGBl. l S. 2018) entsprochen, wonach zu berücksichtigen ist, um welchen Betrag sich der dem Mindestunterhalt zugrundeliegende Bedarf voraussichtlich in dem auf das ­Wirksamwerden der Rechtsverordnung folgenden Kalenderjahr erhöhen wird (Bundestagsdrucksache 18/​5918, dort S. 18). Auf dieser Basis ergibt sich ein gemäß § 1612a Absatz 2 Satz 2 BGB auf volle Euro aufgerundeter Betrag für den Mindestunterhalt von Kindern vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (zweite Altersstufe) ab 1. Januar 2023 von monatlich 464 Euro.

Die Rechtsverordnung legt mit dem Ausgangsbetrag entsprechend dem Aufbau des § 1612a Absatz 1 Satz 3 BGB den Mindestunterhalt getrennt nach Altersstufen fest. Die exakten Beträge ergeben sich unter Anwendung der in dieser Bestimmung genannten prozentualen Auf- bzw. Abschläge.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Verordnung tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.

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