Die Alternative für Deutschland (AfD) hat beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingereicht. Die Partei sieht in dieser Einstufung eine Verletzung ihrer Grundrechte und fordert die Rücknahme sowie ein Verbot der öffentlichen Bekanntmachung dieser Bewertung.
Hintergrund der Einstufung
Im März 2023 hatte das BfV die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft und dies öffentlich gemacht. Diese Hochstufung bedeutete, dass die Partei nicht mehr nur als „Verdachtsfall“, sondern als eindeutig rechtsextremistisch gilt. Das BfV begründete dies damit, dass die AfD ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis vertrete, das Teile der Bevölkerung ausgrenze und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoße. Auch die Nähe zu rechtsextremen Gruppierungen sowie die Rhetorik führender Funktionäre seien Indikatoren für eine Verfassungsfeindlichkeit.
Diese Einschätzung führt dazu, dass die gesamte Partei mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden kann. Die Maßnahme beinhaltet unter anderem die Observation von Mitgliedern, den Einsatz von V-Leuten sowie die Überwachung der Kommunikation.
Inhalt der Klage
Die AfD sieht die Einstufung als willkürlich und politisch motiviert an. In ihrer Klage stellt die Partei mehrere Forderungen:
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Unterlassung der Einstufung und Veröffentlichung:
Die AfD verlangt vom Gericht, das BfV anzuweisen, die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ zurückzunehmen und die weitere Veröffentlichung zu untersagen. -
Feststellung der Rechtswidrigkeit:
Die Partei fordert, dass das Gericht die Hochstufung und die damit verbundene öffentliche Bekanntmachung als rechtswidrig erklärt. Dies solle klargestellt werden, um die politische Chancengleichheit zu wahren. -
Einstweilige Anordnung:
Bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren soll das BfV verpflichtet werden, die Einstufung nicht weiter zu kommunizieren und keine Maßnahmen auf dieser Grundlage zu ergreifen. -
Verletzung demokratischer Grundrechte:
Die AfD argumentiert, dass die Einstufung das Grundrecht auf politische Betätigung gemäß Artikel 21 Grundgesetz massiv beeinträchtige. Die Partei sieht ihre politische Existenz bedroht und befürchtet eine Verzerrung des demokratischen Wettbewerbs, insbesondere vor anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen.
Argumentation der AfD
Die Partei stützt ihre Klage auf mehrere Kernargumente:
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Fehlende Tatsachengrundlage:
Die AfD kritisiert, dass das BfV keine hinreichenden Beweise für die Einstufung geliefert habe. Insbesondere würden einzelne Zitate und Aussagen von Mitgliedern aus dem Kontext gerissen und verallgemeinert. -
Plausibilität und Neutralität:
Die Partei wirft dem BfV eine politische Motivation vor. Angesichts bevorstehender Wahlen sieht die AfD die Gefahr einer gezielten Diffamierung. -
Widerspruch zur Verfassung:
Artikel 21 des Grundgesetzes schützt Parteien und ihre freie Betätigung im politischen Raum. Die AfD argumentiert, dass die Einstufung gegen diese verfassungsrechtliche Garantie verstoße und somit die Parteiarbeit massiv behindere. -
Unzulässige Vorverurteilung:
Die Partei bemängelt, dass durch die mediale Berichterstattung eine öffentliche Vorverurteilung stattfinde. Diese beeinträchtige die Wahlchancen der AfD erheblich und werde von politischen Gegnern instrumentalisiert.
Reaktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Das BfV verteidigt seine Entscheidung und verweist auf umfangreiche Untersuchungen und Analysen. Die Behörde sieht sich im Recht, die AfD aufgrund verfassungswidriger Bestrebungen einzustufen und öffentlich zu warnen. Laut BfV sei die Maßnahme notwendig, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor extremistischen Einflüssen zu schützen.
Juristische Bewertung
Experten gehen davon aus, dass die Klage eine hohe Relevanz besitzt. Professor Dr. Bernhard Müller, Verfassungsrechtler an der Universität Köln, betont, dass das Verfahren grundsätzliche Fragen zur Parteifreiheit und zur Abgrenzung zwischen politischen Meinungen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen aufwerfe.
„Sollte das Verwaltungsgericht Köln der AfD Recht geben, könnte dies die Handlungsspielräume des Verfassungsschutzes erheblich einschränken“, so Müller. Auf der anderen Seite sieht er die Argumentation des BfV als juristisch fundiert an, da zahlreiche Aussagen von AfD-Funktionären dokumentiert seien, die rechtsextreme Tendenzen erkennen ließen.
Politische Dimension und Folgen
Die Klage stellt eine neue Eskalationsstufe im Dauerstreit zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz dar. Ein Erfolg der AfD könnte die Position der Partei stärken und als juristischer Sieg gegen die „politische Verfolgung“ interpretiert werden. Sollte die Klage jedoch scheitern, würde dies die Einstufung weiter legitimieren und die AfD noch stärker in die rechtsextreme Ecke drängen.
Besonders brisant ist die Klage aufgrund des Wahljahres 2025. Viele Beobachter vermuten, dass die AfD die juristische Auseinandersetzung bewusst in den Wahlkampf integriert, um Wähler zu mobilisieren und die eigene Opferrolle zu betonen.
Fazit
Die Klage der AfD gegen das BfV wird voraussichtlich weitreichende politische und rechtliche Folgen haben. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ist bereits jetzt deutlich, dass die Auseinandersetzung nicht nur juristisch, sondern auch medial und politisch ausgetragen wird. Das Verwaltungsgericht Köln steht vor der schwierigen Aufgabe, die komplexen verfassungsrechtlichen Fragen zu klären und gleichzeitig die Balance zwischen staatlichem Schutzauftrag und politischer Betätigungsfreiheit zu wahren.
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