Zwanzig EU-Mitgliedstaaten haben die Europäische Kommission in einem gemeinsamen Schreiben aufgefordert, entschlossener gegen ausbleibende Abschiebungen von afghanischen Staatsbürgern ohne Aufenthaltsrecht vorzugehen. Der Brief, den die niederländische Regierung veröffentlichte, richtet sich an EU-Migrationskommissar Magnus Brunner. Zu den Unterzeichnern gehört auch der deutsche Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).
In dem Schreiben beklagen die Staaten, dass im vergangenen Jahr 22.870 Afghanen in der Europäischen Union eine Rückführungsentscheidung erhalten hätten, jedoch nur 435 tatsächlich nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Diese Diskrepanz, so heißt es, gefährde die Glaubwürdigkeit und Funktionsfähigkeit des europäischen Asylsystems.
Forderung nach neuen Vereinbarungen mit Kabul
Die Unterzeichnerstaaten regen an, dass die EU neue diplomatische Initiativen gegenüber den afghanischen Machthabern unternehmen solle, um Rückführungen künftig zu erleichtern. Dazu gehöre auch, über technische oder humanitäre Lösungen nachzudenken, um Abschiebungen trotz der schwierigen Lage in Afghanistan wieder zu ermöglichen.
Einige Regierungen sprechen sich zudem dafür aus, Rückführungszentren in Drittstaaten oder „regionale Partnerschaften“ mit Nachbarländern Afghanistans zu prüfen.
Sicherheitslage erschwert Rückführungen
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 gelten Abschiebungen nach Afghanistan als äußerst problematisch. Viele EU-Staaten setzen Rückführungen aus Sicherheitsgründen oder aus humanitären Erwägungen aus. Internationale Organisationen warnen regelmäßig vor den Risiken für Abgeschobene, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter und Repressionen durch das Taliban-Regime.
Die EU-Kommission verweist bisher darauf, dass eine Rückführungspolitik gegenüber Afghanistan ohne diplomatische Beziehungen zu den Taliban-Regierenden kaum praktikabel sei. Dennoch stehen viele Mitgliedstaaten unter innenpolitischem Druck, die Zahl der Rückführungen von Personen ohne Bleiberecht zu erhöhen.
Politische Spannungen innerhalb der EU
Die Initiative verdeutlicht die Spannungen innerhalb der EU-Migrationspolitik. Während einige Länder wie Deutschland, Österreich, Dänemark und die Niederlande auf strengere Rückführungsregeln drängen, pochen andere Mitgliedstaaten auf humanitäre Schutzstandards und betonen, dass Afghanistan derzeit kein sicheres Herkunftsland sei.
Beobachter werten das Schreiben als Versuch, die EU-Kommission zu einem politischen Kurswechsel zu bewegen und die Debatte über Rückführungen nach Afghanistan wiederzubeleben. Ob Brüssel darauf reagiert, ist noch offen.
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