Die USA stehen kurz davor, sich endgültig in zwei parallel existierende Planeten zu verwandeln: Redland und Blueland. Gemeinsam haben sie wenig, außer einer geografischen Grenze und der gemeinsamen Nutzung von Super-Bowl-Werbung.
Die Wahlen dieser Woche könnten diesen Prozess weiter beschleunigen – denn was wäre amerikanische Demokratie ohne ein bisschen mehr politische Selbstkannibalisierung?
Kalifornien macht dicht – für Republikaner
In Kalifornien – dem „Solarstaat mit liberalem WLAN“ – plant man gerade per Volksentscheid, fünf republikanische Sitze aus dem Kongress zu entfernen, als würde man lästige Staubkörner vom Designer-Sofa pusten. In Texas hingegen werden in Trump’scher Manier ganze Wahlkreise „demokratenfrei“ gezeichnet, zur Sicherheit auch gleich mit weniger Schwarzen und Latinos.
So geht moderner Föderalismus: Jeder bastelt sich sein eigenes Wahlsystem – wie bei einem politikwissenschaftlichen Escape Room.
Trump: Präsident für die Hälfte des Landes, aber mit ganzem Ego
Donald Trump hat das Prinzip „Ich bin Präsident aller Amerikaner“ zu „Ich bin Präsident der Leute, die mich mögen“ umgedeutet. Wer nicht für ihn gestimmt hat, gilt als suspekt – und bekommt es zu spüren: weniger Bundesgelder, mehr Grenzpolizei und im Notfall den National Guard gleich mitgeliefert.
Die föderale Republik? Ein nostalgisches Konzept, das inzwischen nur noch auf der Rückseite von Schulbüchern steht.
Parteien als Regionalwarlords
Demokraten regieren 17 von 19 „Anti-Trump“-Staaten. Republikaner dominieren 22 von 25 „Trump for Life“-Staaten. Was fehlt? Ein Gefühl dafür, dass da draußen noch andere Menschen leben, die vielleicht anders denken.
Stattdessen: Gouverneure als Regionalfürsten, Parlamente als Echokammern und Kongressabgeordnete, die sich mehr Sorgen um die nächste virale Rede bei Fox News oder MSNBC machen als um überparteiliche Gesetzgebung.
Der Kongress wird zur Parteizentrale – nur ohne Buffet
Einst war das Repräsentantenhaus der Ort, an dem die politischen Ränder sich trafen. Heute ist es eher ein Schlachtfeld für regionale Machtansprüche. Die letzten moderaten Abgeordneten – also diejenigen, die gelegentlich noch mit der anderen Seite sprechen, ohne zu schreien – könnten bald ausgerottet sein. Redistricting macht’s möglich.
Wer in einem Staat lebt, der „anders“ wählt als man selbst, kann sich in Zukunft auf repräsentative Einsamkeit freuen.
Einheit? Vielleicht auf Netflix, aber nicht in Washington
Die USA haben sich in zwei politische Biotope verwandelt – jeweils mit eigenen Gesetzen, Werten, Witzen und medialen Wahrheiten. Und wenn der Präsident aus dem „falschen“ Lager kommt, wird eben geklagt, blockiert oder boykottiert. Kompromiss ist das neue Schimpfwort.
Bill Clinton musste sich als Demokrat in Arkansas etwas einfallen lassen, um Wähler*innen zu überzeugen. Heute wäre er wahrscheinlich direkt von seiner eigenen Partei gefeuert worden – wegen Verdachts auf Zentristentum.
Was bleibt: Zwei Amerikas, ein Etikett
Die USA heißen noch „Vereinigte Staaten“, aber ehrlich gesagt: Das „vereint“ ist inzwischen mehr Branding als Realität. Die einen kämpfen für Drag-Lesestunden in der Bücherei, die anderen für Gebetskreise im Matheunterricht. Und beide glauben, der jeweils andere Teil des Landes sei auf dem Weg zur Hölle – wahlweise mit Windrädern oder Waffen.
Politologe Eric Schickler bringt’s auf den Punkt: „Wie dieses Land noch zusammenhalten soll, ist mir schleierhafter denn je.“
Aber keine Sorge. Es gibt immer noch Hoffnung. Sie liegt irgendwo zwischen Minnesota, einer moderaten Senatorin und einem unentschlossenen Wahlkreis in Wisconsin. Vielleicht.
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