An den US-Finanzmärkten macht sich seit Wochen eine spürbare Unruhe breit. Kaum scheint sich die Lage zu beruhigen, folgt bereits die nächste Schreckensmeldung.
Zuletzt sorgte die US-Bankenbranche für Aufsehen, nachdem zwei regionale Geldinstitute vor hohen Verlusten durch mutmaßlichen Betrug gewarnt hatten. Zuvor waren es die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China, die Anleger nervös machten – Stichwort: Handelsstreit, Technologiebeschränkungen und seltene Erden.
Auch die Insolvenzen des Autozulieferers First Brands und des Subprime-Kreditgebers Tricolor im September nährten die Sorge, es könnten sich tiefere Probleme anbahnen.
Börsen trotzen den Störungen – noch
Trotz dieser Entwicklungen sind die Kursverluste bislang moderat. Die US-Leitindizes haben sich nach den Schwankungen wieder stabilisiert. Der S&P 500 – einer der wichtigsten Aktienindizes der Welt – liegt seit Jahresbeginn noch immer rund 13 Prozent im Plus.
„Der Markt hat sich bisher überraschend gut geschlagen – getragen von besseren Unternehmensgewinnen und der anhaltenden Euphorie rund um Künstliche Intelligenz“, sagt Sam Stovall, Chefstratege bei CFRA Research.
Der Preis des Erfolgs: Überbewertung?
Ironischerweise ist es gerade diese Stärke, die manchen Investoren Sorgen bereitet. Denn gemessen an klassischen Bewertungskennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis sind viele US-Aktien derzeit teuer.
Vor allem der Hype um Künstliche Intelligenz weckt bei einigen Experten Erinnerungen an vergangene Blasen. Die Bank of England, JP-Morgan-Chef Jamie Dimon und auch US-Notenbankchef Jerome Powell warnten jüngst vor überzogenen Bewertungen und einem möglichen „scharfen Rücksetzer“.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte diese Woche in einem Bericht vor zunehmenden Risiken durch politische Spannungen, Handelskonflikte und wachsende Staatsverschuldung.
„Die Märkte wirken selbstzufrieden, während sich im Hintergrund vieles verändert“, so der IWF in seinem Stabilitätsbericht.
Blase oder berechtigter Boom?
Ob es sich tatsächlich um eine Blase handelt, darüber gehen die Meinungen auseinander.
„Ich sage nicht, dass wir in einer Blase sind. Aber auch nicht, dass wir es nicht sind. Die Frage ist: Was bringt die Kurse wirklich zum Fallen?“, so David Lefkowitz, US-Aktienchef bei UBS Global Wealth Management.
Er rechnet aktuell nicht mit einem plötzlichen Kurseinbruch, da die US-Wirtschaft weiter wächst und die Notenbank begonnen hat, die Zinsen zu senken. Seiner Prognose zufolge könnte der S&P 500 bis Jahresende auf rund 6.900 Punkte steigen – etwa 4 Prozent über dem aktuellen Niveau.
„Korrekturen wurden nicht abgeschafft“
Die jüngsten Kursrückgänge bei regionalen Banken sieht James Reilley, Chefökonom bei Capital Economics, als Zeichen, dass Anleger durchaus wachsam sind. Gleichzeitig zeige das schnelle Ende der Mini-Korrekturen, wie rasch sich der Markt wieder erholen kann.
Trotz aller Vorsicht überwiegt bei vielen Investoren der Optimismus. Große Häuser wie Goldman Sachs und Wells Fargo haben ihre Jahresprognosen zuletzt sogar angehoben.
Sam Stovall mahnt dennoch zur Besonnenheit: Ein typischer Bullenmarkt – also ein länger andauernder Aufschwung – dauere im Schnitt viereinhalb Jahre.
„Korrekturen und Bärenmärkte wurden nicht abgeschafft. Sie sind vielleicht nur vertagt.“
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