In einer Zeit, in der viele US-Industriebetriebe unter globalem Wettbewerb, steigenden Kosten und Fachkräftemangel leiden, sticht ein traditionsreiches Unternehmen besonders hervor: Steinway & Sons. Die weltberühmte Klaviermanufaktur mit Sitz in Queens, New York, zeigt, wie ein auf Qualität spezialisiertes Unternehmen den Wandel überleben – und sogar prägen – kann.
Handarbeit statt Massenproduktion
Rund 200 hochqualifizierte Fachkräfte fertigen in der 150 Jahre alten Fabrik in Astoria mit traditionellen Werkzeugen wie Hämmern, Stemmeisen und großen Brecheisen jedes Klavier in aufwendiger Handarbeit. Der gesamte Produktionsprozess dauert im Schnitt elf Monate. Dabei entstehen täglich nur vier bis fünf Instrumente – Unikate, die Preise zwischen 90.000 und 200.000 Dollar erzielen.
„Jeder hat hier seine eigene Aufgabe“, erklärt Bernard Craddock, der seit 30 Jahren bei Steinway arbeitet. Seine Aufgabe: „Den Rahmen so auszurichten, dass die Hämmer die Saiten exakt treffen.“
Ein Geschäftsmodell gegen den Trend
Während viele US-Hersteller durch Donald Trumps Handelspolitik und Zölle auf Stahl, Aluminium und andere Materialien unter Druck geraten sind, bleibt Steinway weitgehend unbeeinträchtigt. Der Grund: Das Unternehmen verwendet größtenteils inländische Materialien und verkauft ein Premiumprodukt an ein zahlungskräftiges Nischenpublikum.
„Steinway kann sich auf sein Prestige verlassen und Preise verlangen, die es erlauben, in den USA zu produzieren“, sagt Adam Hersh, Ökonom am Economic Policy Institute.
Qualität als Überlebensstrategie
CEO Ben Steiner betont: „Man kann in New York nur bestehen, wenn man kompromisslos auf Qualität und Innovation setzt.“ Die Herstellung in den USA sei teuer, aber für ein Produkt dieser Klasse unausweichlich – und die lokale Handwerkskunst durch nichts zu ersetzen.
Herausforderungen bleiben
Doch nicht alle Probleme lassen sich mit Premiumpreisen lösen. Die Versorgung mit Sitka-Fichte, einem für den Klang wesentlichen Holz aus Alaska, gestaltet sich zunehmend schwierig. Zudem droht langfristig ein Fachkräftemangel.
Um das Know-how zu bewahren, setzt Steinway seit Jahrzehnten auf die Weitergabe von Wissen im eigenen Haus. Während der Weltkriege stellte die Firma zeitweise Gleitflugzeuge her – eine Maßnahme, um die Fachkräfte an Bord zu halten. „Nach dem Krieg hatte man viele Rückkehrer, aber kaum noch ausgebildete Klavierbauer“, erinnert sich Marketingchef Anthony Gilroy.
Standorttreue aus Überzeugung
Ein Umzug in billigere Regionen oder ins Ausland steht für Steiner nicht zur Debatte: „Die Fähigkeiten unserer Handwerker sind einzigartig. Man kann nicht einfach eine neue Fabrik eröffnen und erwarten, dass dort die gleichen Klaviere entstehen.“
So bleibt die Steinway-Fabrik in Queens ein seltenes Beispiel für die Zukunft der US-Industrie – verwurzelt in der Vergangenheit, aber mit einem Blick für das, was kommt.
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