Was als engagierter Einsatz einer Mutter für faire Chancen im Jugend-Eishockey begann, entwickelte sich zu einem beispiellosen Machtkampf: Die US-Amerikanerin Brooke Wilfley, selbst Mutter von fünf hockeybegeisterten Kindern, deckte gravierende Interessenskonflikte beim Colorado Amateur Hockey Association (CAHA) auf – und wurde dafür massiv unter Druck gesetzt.
Hockey-Mutter entdeckt finanzielle Unregelmäßigkeiten
Im Jahr 2022 stieß Wilfley, eine Juristin mit Schwerpunkt auf Kinderrechte, auf verdächtige Vorgänge rund um den langjährigen Präsidenten des CAHA, Randy Kanai. Sie entdeckte, dass Kanai offenbar Verbandsgelder über private Firmen schleuste, die auf seinen Namen registriert waren – mit identischen Namen zu offiziellen Hockeyprogrammen des Verbandes.
Als Wilfley ihre Erkenntnisse an Vorstand, Vereine und USA Hockey, die übergeordnete Organisation, meldete, blieb eine Reaktion zunächst aus.
Statt Aufklärung: Vergeltung
Im Januar 2023 erhielt Wilfley plötzlich Post vom Anwalt des Verbandes. Der Vorwurf: Sie habe „verleumderische Äußerungen“ gemacht – nun werde gegen sie ermittelt. Man forderte sie auf, binnen 21 Tagen sämtliche privaten Kommunikationsgeräte und Daten (E-Mails, Textnachrichten, Kalender, Telefonlisten) zur „forensischen Prüfung“ auszuhändigen.
„Das war Einschüchterung auf höchstem Niveau“, sagte Wilfley. Ihre größte Sorge: Ein Ausschluss ihrer Spieler vom Wettbewerb, da sie selbst ein angesehenes Jugendhockey-Programm in Denver leitete. Für die betroffenen Kinder hätte eine Disqualifikation den sportlichen Durchbruch verhindern können.
Gegenwehr mit hohem Preis
Wilfley weigerte sich, ihre privaten Daten preiszugeben – und beauftragte stattdessen ein unabhängiges Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Dessen Bericht belegte massive Unregelmäßigkeiten, darunter nicht offengelegte Zahlungen an Kanai-nahe Firmen in sechsstelliger Höhe. Parallel forderte sie Einblick in die Verbandsfinanzen und Wahlen, die seit Jahren nicht mehr satzungsgemäß stattfanden.
Im Februar 2023 schaltete sich USA Hockey schließlich ein: Man veranlasste eine eigene Untersuchung, stoppte Disziplinarmaßnahmen gegen Wilfley und rief zur Neuorganisation auf.
Sturz des Präsidenten und Klage wegen Unterschlagung
Im Mai 2023 wurde Kanai nach über einem Jahrzehnt als Präsident abgewählt. Der neue Vorstand stellte wenige Tage später auch Verbandsanwalt Peter Schaffer frei. Im Juli wurde Kanai von USA Hockey von allen Hockeyaktivitäten ausgeschlossen, nachdem er sich der Prüfung verweigerte.
Im Oktober 2023 reichte die Organisation eine Zivilklage wegen Unterschlagung ein. In einem Prozess im Frühjahr 2025 stellte das Gericht fest, dass Kanai sich mindestens 180.000 Dollar über eine seiner Firmen rechtswidrig angeeignet hatte. Die Richterin verurteilte ihn zur Rückzahlung von 579.000 Dollar, inklusive Strafzahlungen und Gerichtskosten – ein seltener Erfolg in solchen Fällen.
Doch der Kampf ging weiter
Trotz des Urteils gingen die Angriffe auf Wilfley weiter. Kanai und Schaffer verklagten sie auf Verleumdung, versuchten, sie gerichtlich zur Herausgabe privater Daten zu zwingen – erfolglos. Doch der finanzielle Schaden blieb: Mehr als 100.000 Dollar an Anwaltskosten hat sie nach eigenen Angaben selbst getragen.
Auch der öffentliche Ruf war angeschlagen.
„Ich wurde als verrückte Hockey-Mutter dargestellt. Drei Jahre lang hat das nicht aufgehört“, sagt Wilfley rückblickend.
Systemversagen in der Jugendförderung
Der Fall zeigt strukturelle Schwächen auf: fehlende Aufsicht, mangelnde Transparenz und zu viel Macht in wenigen Händen. Gerade im Jugendhockey, wo sportliche Karrieren schon früh beginnen, ist die Angst groß, dass Kritik an den falschen Stellen den Kindern Chancen raubt.
„USA Hockey muss dringend bessere Kontrollmechanismen einführen“, fordert Bill Brierly, Vizepräsident des CAHA. „Eltern sollten sich nicht selbst durch Steuerunterlagen wühlen müssen, um Korruption aufzudecken.“
Wilfley: „Ich würde es wieder tun“
Trotz allem bereut Wilfley nichts:
„Ich habe es für die Kinder getan – meine und die vielen anderen, die mir anvertraut wurden. Wenn ich geschwiegen hätte, wäre das alles weitergelaufen.“
Heute zählt ihr Club zu den besten in den USA – ein sportlicher Triumph, der durch persönliche Opfer möglich wurde.
Fazit:
Was als sportliches Engagement begann, entwickelte sich für Brooke Wilfley zu einem gefährlichen Kampf gegen Machtmissbrauch im Sport. Ihr Fall ist Mahnung und Vorbild zugleich: Whistleblower brauchen Schutz – auch und gerade im Jugendbereich.
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