Im vergangenen Jahr haben Ärztinnen und Ärzte in China weltweit erstmals eine Schweineleber in einen lebenden Menschen transplantiert. Der 71-jährige Patient überlebte nach dem Eingriff noch 171 Tage. Das tierische Organ, das als Unterstützung seiner schwer geschädigten Leber eingesetzt wurde, musste jedoch nach 38 Tagen wegen Komplikationen entfernt werden. Die Ergebnisse wurden nun im Journal of Hepatology veröffentlicht.
Neuer Meilenstein mit Einschränkungen
Die Operation gilt als medizinischer Durchbruch, markiert aber noch keinen klinischen Wendepunkt. Wie Fachleute in einem begleitenden Kommentar betonen, ist die Xenotransplantation – also die Verpflanzung tierischer Organe in den Menschen – weiterhin mit erheblichen Risiken und offenen Fragen verbunden. Dennoch sei der Bericht von hohem wissenschaftlichen Wert, da er zeige, dass gentechnisch veränderte Schweineorgane im menschlichen Körper zeitweise funktionsfähig sein können.
Verlauf der Transplantation
Die Transplantation fand im Dezember 2023 an der Anhui Medical University statt. Der 71-jährige Patient litt an einer fortgeschrittenen Hepatitis-B-bedingten Leberzirrhose sowie einem großen hepatozellulären Karzinom. Die eingesetzte Schweineleber stammte von einem Spender-Schwein, dessen Erbgut an zehn Stellen gezielt verändert worden war, um Abstoßungsreaktionen zu minimieren und die Verträglichkeit für das menschliche Immunsystem und Blutgerinnungssystem zu verbessern.
In den ersten Wochen funktionierte das transplantierte Organ gut und produzierte sogar Galle. Ab dem 31. Tag traten jedoch Komplikationen auf: Eine sogenannte thrombotische Mikroangiopathie – eine seltene, aber ernste Schädigung der kleinen Blutgefäße – entwickelte sich. Am 38. Tag musste das Organ entfernt werden. Der Gesundheitszustand des Patienten stabilisierte sich zunächst, verschlechterte sich jedoch erneut: Am 135. Tag kam es zu einer schweren Blutung im oberen Magen-Darm-Trakt, die letztlich zum Tod am 171. Tag nach der Operation führte.
Bedeutung für die Forschung
Die Xenotransplantation von Lebern gilt als besonders anspruchsvoll, da viele der von der Leber produzierten Proteine artspezifisch sind und nicht ohne Weiteres vom menschlichen Körper übernommen werden können. Dennoch wird der chinesische Fallbericht in Fachkreisen als bedeutender Fortschritt gewertet.
„Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass eine Schweineleber über einen relevanten Zeitraum im menschlichen Körper funktionieren kann“, erklärte Studienleiter Prof. Beicheng Sun. Die Ergebnisse belegen sowohl das Potenzial der Methode als auch die bestehenden Hürden – insbesondere bei Gerinnungsstörungen und Immunreaktionen.
Auch Prof. Daniel Reichart von der LMU München betont den Forschungsfortschritt: Zwar sei ein langfristiger Verbleib einer Schweineleber im menschlichen Körper derzeit nicht realistisch, ihr Einsatz als temporäre Überbrückung bei akutem Leberversagen könne jedoch künftig eine klinische Option sein.
Ein weiterer Vorteil: Schweinezellen sind nicht für das humane Hepatitis-B-Virus anfällig. Das könnte bei infizierten Patienten einen zusätzlichen Schutzfaktor darstellen, wie Prof. Konrad Fischer von der Technischen Universität München anmerkt.
Organmangel als Treiber
Der weltweite Mangel an Spenderorganen treibt die Forschung im Bereich der Xenotransplantation voran. In den letzten Jahren wurden bereits Schweineherzen, -nieren und -lungen erfolgreich in hirntote Patienten transplantiert. Nun wurde erstmals eine Schweineleber einem lebenden Menschen eingesetzt – ein Schritt, der neue Perspektiven eröffnet, aber gleichzeitig viele ethische, medizinische und technische Fragen aufwirft.
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