Welcher Weg für den Euro?

Welche Zukunft für den Euro?

Mit dem Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise haben jene Kritiker Recht behalten, die die Währungsunion von Beginn an für eine „Schönwetterveranstaltung“ gehalten haben und ihr ein Scheitern in der ersten ernsthaften Krise voraussagten. Vielen wird dieses Urteil zu hart erscheinen, weil die Krise bislang weder der inneren noch der äußeren Stabilität des Euros etwas anhaben konnte. Dies ändert aber nichts daran, dass die Währungsunion mit ihrem gegenwärtigen Rahmenwerk keine Überlebenschance haben wird.

Der Euro ist jedoch kein Projekt, das nach Gutdünken beendet werden könnte. Die Rückkehr zu nationalen Währungen hätte ernsthafte wirtschaftliche und politische Friktionen zur Folge. Auch wäre die Situation nach einer Auflösung der Währungsunion eine völlig andere und erheblich ungünstigere als Mitte der 1990er Jahre. Vor allem aber darf eines nicht übersehen werden: Der Euro ist ein wichtiger Baustein für die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Auf eine starke einheitliche Währung kann Europa nicht verzichten. Es gibt also allen Grund, den Euro zu verteidigen.

Die Ursachen der Krise
Voraussetzung für ein Gelingen der hierzu notwendigen Reformen aber ist, dass überhaupt ein Konsens über die Ursachen der Krise gefunden wird. Worin liegen also die Gründe für die Turbulenzen, in die die Währungsunion geraten ist? Im Wesentlichen sind es die folgenden:

Der Euro war und ist ein politisches Projekt: Unter dem Euro als Symbol für die Einigung Europas sollte die politische Integration Europas mit ökonomischen Mitteln vorangetrieben werden. Dies ist nicht gelungen.
Die bindende Wirkung des Europäischen Stabilitätspaktes war zu schwach. Seine mangelhafte Anwendung erleichterte den Staaten die Schuldenaufnahme.
Die politische Aufmerksamkeit galt in der Vergangenheit einseitig der Finanzpolitik. Die Gefahren wachsender wirtschaftlicher Ungleichgewichte und einer mangelnden internationalen Wettbewerbsfähigkeit wurden dagegen letztlich übersehen.

Verliert der Euro seine Legitimation?
In der Staatsschuldenkrise droht der Euro nun zu einem Symbol der Zerrissenheit zu werden. Je länger die Krise dauert, umso mehr wird die gemeinsame Währung in den Augen der Menschen an Legitimation verlieren. Während bei den Bürgern der sogenannten „Kernländer“ mit jedem neuen Hilfspaket die Überzeugung wächst, dass der Euro ein Fass ohne Boden sei, steigt in den „Peripherieländern“ gleichzeitig die Ablehnung durch die Last immer neuer Sparprogramme. Wer aber tritt noch für eine Währung ein, die vor allem als Belastung empfunden wird?

Der politische Ausweg scheint für viele in einer Transferunion zu liegen, bei der alle für die Schulden aller haften. In der Tat könnten dadurch die Finanzmärkte kurzfristig beruhigt und die akute Krise entschärft werden. Langfristig gesehen wäre eine Transferunion aber ein Irrweg, denn sie würde das Fehlverhalten der Krisenländer belohnen und völlig falsche Anreize schaffen. Die Folge wären eine anhaltende Wachstumsschwäche, ausbleibende Reformen und eine zunehmende strukturelle Arbeitslosigkeit. Die Idee einer Transferunion und damit letztendlich auch der Einführung von Eurobonds muss daher mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden.

Überwindung der Krise und Sicherung der Währungsunion
Die Alternative, der Weg in die politische Union, ist bislang noch zu vage, um einen Beitrag zur Überwindung der Krise und zur Bewahrung des Euros leisten zu können. Es ist zwar anzuerkennen, dass mit dem europäischen Semester, den Gesetzesvorschlägen zur größeren Haushaltsdisziplin sowie zur makroökonomischen Überwachung („six pack“) und dem Euro-Plus-Pakt wichtige Schritte in Richtung einer stärkeren Politikkoordination erfolgen. Dies sind aber nur erste kleine Schritte, denen bislang auch noch eine ausreichende politische Verbindlichkeit fehlt. Größere Schritte in Richtung einer politischen Integration setzen eine eingehende Diskussion über Umfang sowie Ausrichtung der gemeinsamen Politik voraus und sind ohne die Änderung der europäischen Verträge sowie der nationalen Verfassung in vielen Mitgliedstaaten kaum möglich. Sie scheiden daher als kurzfristiger Lösungsansatz aus. Gegenwärtig viel praktikabler und mit erheblich größerer Durchschlagskraft für die Sicherung der Währungsunion dürfte hingegen die strikte Selbstbindung der nationalen Finanzpolitik sein, also letztlich ihre „Entpolitisierung“.

Vor diesem Hintergrund sind zur Stabilisierung der Staatsschuldenkrise und Weiterentwicklung der Währungsunion die folgenden Maßnahmen notwendig:

Die finanziellen Mittel zur Stabilisierung der Finanzmärkte sollte die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bereitstellen. Der im Juli vereinbarte zusätzliche Handlungsspielraum für die EFSF muss deshalb rasch umgesetzt werden. Allerdings wird die EFSF in ihrer jetzigen Form nur handlungsfähig bleiben, solange eine Krise auf kleinere Länder beschränkt bleibt. Eine erneute Ausweitung der Garantien würde zu untragbaren Garantielasten für die verbleibenden Länder führen. Die Europäische Währungsunion benötigt daher ein Instrument, das auch bei Liquiditätskrisen von größeren Mitgliedstaaten die Finanzmärkte stabilisieren kann. Ein Europäischer Währungsfonds wäre hierauf die angemessene Antwort. Spätestens mit dem Übergang des EFSF auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sollten letzterem die Handlungsmöglichkeiten eines solchen Währungsfonds übertragen werden. Neben dem Management der Anpassungsprogramme erhielte er die Aufgabe, bei staatlichen Liquiditätskrisen durch Interventionen am Sekundärmarkt die Stabilität der Märkte für Staatsanleihen zu sichern. Ein direkter oder indirekter Zugang zu Krediten der Europäischen Zentralbank (EZB) wäre dazu erforderlich.
Mit dem Europäischen Währungsfonds bliebe die Verantwortung für das Krisenmanagement in den Händen der europäischen Finanzminister. Damit wären die Voraussetzungen gegeben, auch zukünftig die geld- und fiskalpolitische Verantwortung im Euroraum strikt zu trennen.
Für die Zukunft der Währungsunion ist es entscheidend, dass das Volumen der Staatsschulden und die Defizite der öffentlichen Haushalte merklich reduziert werden. Zu diesem Zweck müssen die Länder der Währungsunion ein langfristiges Konsolidierungsprogramm vereinbaren. In diesem Programm würden sie sich zur Einführung einer äquivalenten Verschuldungsbremse mit Verfassungsrang verpflichten, die dauerhaft Gültigkeit besitzen und den Regierungen ein strukturelles Haushaltsdefizit untersagen müsste. Diese Regelbindung sollte den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzen. Sie wird jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn ein Verstoß zu automatischen Sanktionen in Form von Strafzahlungen und dem zeitweiligen Verlust fiskalpolitischer Souveränität führt.

Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen könnte die akute Krise überwunden werden. Damit ist die Währungsunion aber langfristig noch nicht gesichert. Denn die Fehler der Finanzpolitik sind nur ein Teil des Problems. Für einen dauerhaften Erfolg müssen die „Peripherieländer“ ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen und so zu einem Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Währungsunion beitragen. Kein leichtes Unterfangen – aber für die Zukunft der gemeinsamen Währung unabdingbar.

Quelle:BdB

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