Was ist bloß mit der Börse passiert?

An der Wall Street wurde aus dem erhofften Wendepunkt plötzlich ein Tag der Ernüchterung. Anleger hatten am Donnerstag zwei entscheidende Fragen: Platzt die KI-Blase? Und senkt die US-Notenbank im Dezember die Zinsen? Früh am Tag schien es so, als gäbe es auf beide endlich klare Antworten.

Erste Signale wirkten vielversprechend:

• Nvidia meldete am Mittwochabend herausragende Quartalszahlen – ein Hinweis darauf, dass die Nachfrage nach KI-Technologie weiterhin stark ist.

• Am Donnerstag folgte ein überraschend schwacher Arbeitsmarktbericht: Die Arbeitslosenquote stieg, und die US-Wirtschaft verlor zum zweiten Mal in drei Monaten Jobs. Das nährte die Hoffnung, die Fed könne bald gezwungen sein, die Zinsen zu senken.

Doch der Optimismus hielt nicht lange. Die Kurse schossen zwar am Morgen nach oben – der Dow Jones legte zeitweise über 700 Punkte zu –, doch im Laufe des Vormittags drehte die Stimmung abrupt.

Warum der Stimmungsumschwung?

Die „Antworten“ entpuppten sich als neue Fragen:

• Nvidia: Die Zahlen waren so stark, dass Anleger sich fragten, wie lange dieses Tempo noch haltbar sein kann. „Was soll nach ‚außergewöhnlich‘ noch kommen?“, kommentierte Marktexperte Michael Block. Viele Investoren sahen auf dem hohen Bewertungsniveau kaum noch Raum für weitere Kursgewinne.

• Arbeitsmarkt: Der Bericht wirkte bei genauerem Hinsehen weniger zinssenkungsrelevant. Zwar war die Arbeitslosenquote gestiegen, doch gleichzeitig zeigte der Bericht eine stärkere Beschäftigungsdynamik im September als erwartet. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit könnte schlicht daran liegen, dass mehr Menschen wieder aktiv nach Arbeit suchen.

Zugleich signalisierten die am Mittwoch veröffentlichten Fed-Protokolle, dass mehrere Notenbanker einer Zinssenkung im Dezember skeptisch gegenüberstehen. Damit schwand die Hoffnung auf schnelle geldpolitische Unterstützung.

Heftige Ausschläge

Am Ende des Handelstags wirkte es, als wäre nichts vom morgendlichen Höhenflug geblieben:

• Der Dow Jones drehte in einer 1.100-Punkte-Spanne ins Minus und verlor fast 400 Punkte.

• Der S&P 500 fiel um 1,6 %, der Nasdaq um mehr als 2 %.

• Nvidia rutschte nach zwischenzeitlichem Plus am Ende 3 % ins Minus.

• Bitcoin drehte von über 92.000 auf rund 86.000 Dollar.

Auch am Freitag blieb die Lage angespannt: Die Leitindizes legten leicht zu, doch Nvidia und Bitcoin gaben erneut nach. Bitcoin fiel unter 85.000 Dollar – der niedrigste Stand seit April – und steuert auf den schlechtesten Monat seit 2022 zu. Ohne deutliche Erholung steht die Börse vor der schlimmsten Woche seit sieben Monaten.

Wie geht es weiter?

Die Märkte zweifeln zunehmend, ob das KI-Wachstum ewig so weitergehen kann. Selbst wenn Nvidia weiter brilliert, könnten andere Technologiewerte deutlich überbewertet sein. Gleichzeitig bleibt unklar, wie die Fed den widersprüchlichen Arbeitsmarktdaten begegnen wird.

Der CNN-„Fear and Greed Index“ zeigt extreme Angst, die Volatilität (VIX) ist auf den höchsten Stand seit dem Frühjahr gestiegen. Und da wichtige Wirtschaftsdaten wegen des Regierungsstillstands verspätet kommen, die Berichtssaison endet und viele Trader bald in den Urlaub gehen, könnte es vorerst kaum neue Orientierung geben.

Ergebnis: Die Märkte suchen weiter nach Antworten – und bis diese kommen, bleibt die Achterbahnfahrt bestehen.