Jedes Jahr dasselbe Schauspiel: Menschen stehen in Daunenjacken auf vereisten Gehwegen, zünden mit zitternden Fingern Knallkörper an, rennen schreiend davon und rufen sich dann zu: „Prosit Neujahr!“ – eine Tradition so seltsam, dass sie nur einen logischen Ursprung haben kann: Angst. Und ein bisschen Aberglaube. Und natürlich: Lärm.
Denn das mit dem Böllern hat einen erstaunlich alten (und lauten) Stammbaum. Schon die alten Chinesen haben vor über 2.000 Jahren an Silvester (bzw. ihrem Jahreswechsel) geknallt, was das Schwarzpulver hergab. Warum? Ganz einfach: Um böse Geister zu vertreiben. Offenbar sind die schwerhörig, denn man schoss mit Bambusrohren, in denen das Pulver explodierte. So entstand das erste „Knallbonbon“, das kein Geschenk enthielt – außer Hörschäden.
Diese Idee war so überzeugend, dass sie sich wie ein Feuerwerk weltweit verbreitete. Auch bei uns in Europa galt: Wer ins neue Jahr nicht mit einem ordentlichen Rumms startet, lädt Pech, Dämonen und Schwiegermütter ins Haus. Also wurde alles benutzt, was krachte: Töpfe, Pfannen, Blechdeckel – kurz: die Küchenabteilung als Geisterschreck.
Im Mittelalter ging man noch einen Schritt weiter: Man feuerte mit Musketen in die Luft. Nicht, weil das besonders effektiv war – sondern weil es laut war. Und gefährlich. Was passt besser zum Jahresstart als ein wenig Pulver und Verletzungsgefahr?
Der moderne Silvester-Böller ist also im Grunde ein geistig ferngesteuertes Ritual: Wir glauben zwar nicht mehr an Geister – aber sicher ist sicher. Und wenn dabei noch ein paar Drohnenvideos entstehen, die wie Kriegsschauplätze aussehen, umso besser. Instagram will ja auch unterhalten werden.
Also: Warum böllern wir? Weil unsere Vorfahren Angst vor Dämonen hatten. Weil wir hoffen, dass Lärm Glück bringt. Und weil Tradition bedeutet, Dinge zu tun, deren Ursprung niemand mehr so genau kennt – aber wehe, man lässt es bleiben.
In diesem Sinne: Lasst die bösen Geister wissen, dass sie 2026 bitte draußen bleiben sollen. Und wenn nicht? Dann eben 200 Millionen Euro Feuerwerk als letzte Warnung.
Frohes Neues! 🎆
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