Der Traditionskonzern Wacker Chemie aus München steht vor einer der einschneidendsten Umstrukturierungen seiner Unternehmensgeschichte. Wie der Vorstand bestätigte, sollen 1.500 Arbeitsplätze gestrichen werden – überwiegend in Deutschland. Damit trifft es ausgerechnet jene Standorte, die jahrzehntelang das industrielle Rückgrat des Unternehmens bildeten.
Teure Energie, sinkende Nachfrage, globale Konkurrenz – ein Dreifachschlag
Wacker begründet die massiven Sparmaßnahmen mit einer wirtschaftlichen Gemengelage, die sich seit Jahren verschärft:
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Energiepreise in Deutschland bleiben im internationalen Vergleich hoch, trotz leichter Entspannung.
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Weltweite Nachfrageeinbrüche, insbesondere in Bauindustrie, Solarbranche und Elektronik.
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Aggressive Preiskonkurrenz aus China, wo Produzenten deutlich günstiger herstellen können.
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Inflation und steigende Personalkosten belasten zusätzliche Unternehmensbereiche.
Weltweit beschäftigt Wacker rund 16.600 Menschen, davon rund 10.700 in Deutschland. Die nun geplanten Einschnitte bedeuten, dass jede*r Zehnte im Inland seinen Arbeitsplatz verlieren könnte.
Schockwellen für Beschäftigte – Betriebsräte schlagen Alarm
Während der Vorstand von einem „notwendigen Schritt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit“ spricht, reagieren Gewerkschaften und Belegschaft mit Empörung.
Gewerkschaften kritisieren, dass Wacker zu spät auf strukturelle Probleme reagiert habe. Statt langfristig in moderne Anlagen, Digitalisierung und alternative Energieversorgung zu investieren, sei „zu viel ausgesessen worden“.
Der Gesamtbetriebsrat warnt, der Abbau könne – je nach Umsetzung – nicht nur einzelne Standorte, sondern ganze Abteilungen oder Produktionsstrecken gefährden.
Der Hinweis des Unternehmens, man wolle „möglichst“ ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen, wird vielerorts skeptisch aufgenommen.
300 Millionen Euro pro Jahr – ein ehrgeiziges Sparziel
Die geplanten Einsparungen von 300 Millionen Euro jährlich sollen sich je zur Hälfte zusammensetzen aus:
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Personalabbau, hauptsächlich in Verwaltung, Logistik und nicht produktionsnahen Bereichen
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Effizienzsteigerungen, darunter Digitalisierung, Automatisierung und interne Prozessreformen
Wacker will sich stärker auf margenstarke Produkte konzentrieren – insbesondere Materialien für Halbleiter- und Pharmaindustrie, Silikone für Hightech-Anwendungen sowie nachhaltigere Chemieprodukte.
Ein weiteres Signal für den Industriestandort Deutschland
Die Entscheidung passt in ein größeres Muster: Mehrere große Konzerne haben in den vergangenen Monaten strukturelle Einschnitte angekündigt:
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BASF baut weiterhin Tausende Stellen ab.
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Bayer reduziert massiv Verwaltungs- und Forschungsstellen.
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Covestro schließt Produktionslinien und investiert stärker im Ausland.
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VW und Zulieferer verlagern zunehmend Projekte ins Ausland.
Ökonomen warnen vor einem gefährlichen Trend: Deutschlands Industriestandort verliert im globalen Wettbewerb an Boden. Hohe Energiekosten, Bürokratie, lange Genehmigungszeiten und Fachkräftemangel gelten als Hauptfaktoren.
Wackers Stellenabbau könnte somit Teil einer sich beschleunigenden Deindustrialisierungsbewegung sein, die besonders energieintensive Branchen trifft.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Für Beschäftigte, Zulieferer und betroffene Regionen hat der Schritt weitreichende Folgen:
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Regionale Arbeitsmärkte könnten – je nach Standort – stark belastet werden.
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Zuliefererbetriebe müssen mit sinkender Nachfrage rechnen.
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Investoren fragen sich, ob Wacker den Umschwung schafft oder weitere Sparrunden folgen.
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Die Politik wird zunehmend unter Druck geraten, die Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen zu verbessern.
Am Ende bleibt Wacker Chemie ein Beispiel für den industriellen Wandel, der Deutschland die nächsten Jahre prägen wird – und für die Frage, wie viel Industrie im Hochkostenland Deutschland überhaupt noch möglich ist.
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