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„Viele Opfer merken den Betrug erst, wenn es zu spät ist“

artisticme (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime über betrügerische Online-Plattformen und den Schutz von Anlegern

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt aktuell vor den Websites swissprimefx.com und auraswiss.co. Beide Plattformen bieten nach Erkenntnissen der BaFin ohne Erlaubnis Finanz- und Wertpapierdienstleistungen an. Besonders perfide: Die Betreiber von swissprimefx.com nutzen den Namen der seriösen swisspartners AG, um Vertrauen zu erwecken – ein klarer Fall von Identitätsdiebstahl.

Wir sprechen mit Rechtsanwalt Jens Reime, Experte für Kapitalmarktrecht, über die aktuellen Warnungen, die typischen Maschen der Betrüger und was Betroffene tun können.

Herr Reime, die BaFin warnt erneut vor unseriösen Online-Plattformen. Wie funktioniert diese Art von Betrug?

Jens Reime: Leider ist das Muster oft das gleiche. Die betrügerischen Plattformen geben sich als seriöse Finanzdienstleister aus, oft sogar unter dem Namen bereits etablierter Unternehmen. Potenzielle Anleger werden über professionelle Websites, Social Media oder Telefonanrufe geködert. Ihnen werden hohe Renditen versprochen – oft mit angeblich exklusiven Anlagestrategien oder Krypto-Investments.

Sobald Geld eingezahlt wird, sehen die Anleger anfangs oft positive Entwicklungen in ihren Online-Konten. Doch wenn sie sich ihr Geld auszahlen lassen wollen, kommen Ausreden: technischer Fehler, zusätzliche Gebühren, steuerliche Nachforderungen. Am Ende sind die Anleger ihr Geld los – und die Betrüger verschwunden.

Die BaFin spricht von Identitätsdiebstahl im Fall von swissprimefx.com. Was bedeutet das genau?

Jens Reime: Identitätsdiebstahl ist eine besonders gefährliche Masche. Hier missbrauchen Kriminelle den Namen einer tatsächlich existierenden, seriösen Firma – in diesem Fall die swisspartners AG. Sie erstellen täuschend echte Websites, oft mit offiziellen Logos, um Glaubwürdigkeit zu suggerieren.

Viele Anleger prüfen zwar, ob ein Unternehmen existiert, aber nicht, ob die Website wirklich von dieser Firma betrieben wird. So wiegen sie sich in falscher Sicherheit und investieren. Tatsächlich haben die betroffenen Unternehmen, deren Namen missbraucht werden, nichts mit dem Betrug zu tun.

Die BaFin warnt nicht nur vor swissprimefx.com, sondern auch vor auraswiss.co. Was ist hier besonders auffällig?

Jens Reime: Auraswiss.co ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Betrüger nach einer Warnung einfach die Domain wechseln. Die BaFin hatte bereits Anfang Januar vor der Plattform auraswiss.net gewarnt. Doch anstatt den Betrieb einzustellen, ziehen die Betreiber einfach mit neuer Domain weiter – und alles bleibt fast identisch: gleiche Inhalte, gleiche Maschen, nur eine neue Webadresse.

Das zeigt, wie dynamisch und flexibel diese Betrüger agieren. Sie nutzen oft gleich mehrere Domains parallel oder registrieren bereits Alternativen, um sofort weiterzumachen, wenn eine Website gesperrt wird.

Welche Warnsignale sollten Anleger beachten, um nicht auf solche Plattformen hereinzufallen?

Jens Reime: Es gibt einige typische Warnzeichen:

  1. Unrealistisch hohe Renditen: Wenn Ihnen schnelle und sichere Gewinne versprochen werden, ist höchste Vorsicht geboten.
  2. Druck und Zeitlimits: Betrüger setzen Anleger oft unter Druck, schnell zu investieren, bevor eine „einmalige Chance“ verpasst wird.
  3. Fehlende Lizenz der BaFin: Wer in Deutschland Finanzdienstleistungen anbietet, braucht eine Erlaubnis der BaFin. Diese kann man online in der Unternehmensdatenbank der BaFin prüfen.
  4. Zahlungen nur per Kryptowährung oder unregulierte Zahlungsdienstleister: Wer nur Bitcoin oder ungewöhnliche Zahlungswege akzeptiert, ist oft nicht vertrauenswürdig.
  5. Unklare Kontaktdaten: Seriöse Anbieter haben offizielle Adressen und erreichbaren Kundenservice. Fehlt ein Impressum oder gibt es nur eine E-Mail-Adresse, ist das ein Alarmsignal.

Was können Betroffene tun, wenn sie bereits investiert haben?

Jens Reime: Wenn jemand bereits Geld investiert hat, sollte er schnell handeln:

  • Keine weiteren Zahlungen leisten – oft versuchen Betrüger, noch mehr Geld herauszuholen.
  • Beweise sichern – Screenshots von Chats, E-Mails, Transaktionen und die Website speichern.
  • Anzeige erstatten – sowohl bei der Polizei als auch bei der BaFin.
  • Anwalt oder Verbraucherzentrale einschalten – es gibt spezialisierte Kanzleien, die helfen können, Gelder zurückzufordern.
  • Bank oder Zahlungsdienstleister informieren – manchmal gibt es die Möglichkeit, Überweisungen zu stoppen oder zurückzufordern.

Wie gut sind die Chancen, verlorenes Geld zurückzubekommen?

Jens Reime: Leider sind die Erfolgschancen oft gering, besonders wenn die Betrüger mit Kryptowährungen arbeiten oder von Offshore-Standorten aus agieren. In manchen Fällen können Banken Zahlungen zurückholen oder es gibt Ermittlungen, die zu Kontosperrungen führen. Aber oft sind die Täter anonym und verschwinden, sobald genug Geld geflossen ist.

Deshalb ist Prävention das Wichtigste: Wer vorher genau prüft, investiert erst gar nicht in solche betrügerischen Angebote.

Was raten Sie Anlegern, die unsicher sind, ob ein Angebot seriös ist?

Jens Reime: Erstens: Informieren Sie sich direkt bei der BaFin. Zweitens: Skepsis bewahren – wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das oft auch nicht. Drittens: Nicht unter Druck setzen lassen – seriöse Finanzanbieter drängen niemanden zu schnellen Entscheidungen.

Im Zweifel sollten Anleger sich beraten lassen, bevor sie investieren – denn oft merken Opfer erst, dass sie betrogen wurden, wenn es bereits zu spät ist.

Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch!

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