Startseite Allgemeines Politik Deutschland Vergessenes deutsches Trauma: Wenn die eigene Familie verschwindet – die Aufarbeitung der DDR-Zwangsadoptionen
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Vergessenes deutsches Trauma: Wenn die eigene Familie verschwindet – die Aufarbeitung der DDR-Zwangsadoptionen

kalhh (CC0), Pixabay
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Es ist eines der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte – und zugleich eines der am wenigsten erforschten: die staatlich angeordneten Zwangsadoptionen. Kinder wurden ihren Eltern entrissen, Familien auseinandergerissen – oft unter fadenscheinigen Begründungen. Was offiziell als „Kindeswohlmaßnahme“ galt, diente in vielen Fällen politischer Disziplinierung. Jahrzehnte später suchen Betroffene noch immer nach ihren Angehörigen – und nach Antworten.

Eine von ihnen ist Kerstin Heinze. Sie kam in den 1970er-Jahren in der DDR zur Welt – und erfuhr erst als Erwachsene, dass sie eigentlich einen Zwilling hat. Doch ihre Schwester wurde ihr nach der Geburt weggenommen. Gemeinsam mit RTL- und ntv-Reporterin Anne Schneemelcher begibt sie sich auf Spurensuche: Wer hat damals die Trennung angeordnet? Wo lebt ihre Schwester heute – und weiß sie überhaupt, dass sie adoptiert wurde?

Die Geschichte steht exemplarisch für ein kaum aufgearbeitetes System: Kinder, die zu politisch „auffälligen“ Eltern gehörten, kamen in Heime oder wurden von linientreuen Familien adoptiert. Allein in den 1970er- und 1980er-Jahren soll es Schätzungen zufolge mehrere Tausend solcher Fälle gegeben haben. Exakte Zahlen existieren bis heute nicht – viele Akten wurden kurz vor dem Mauerfall vernichtet.

Für die Betroffenen ist das Leid bis heute spürbar. „Das war ein staatlich organisierter Identitätsraub“, sagt Historikerin Gabriele Herzberg, die seit Jahren zu DDR-Zwangsadoptionen forscht. Viele der Betroffenen hätten jahrzehntelang geglaubt, sie seien Waisenkinder oder von ihren Eltern verstoßen worden. Erst nach der Wiedervereinigung erfuhren einige von der wahren Geschichte – durch Zufall oder über spärliche Hinweise in Stasi-Akten.

Kerstin Heinze wuchs in einer Pflegefamilie auf, ohne zu ahnen, dass sie eine Schwester hat. Erst ein DNA-Abgleich brachte die Wahrheit ans Licht. Doch die Spur führt in Sackgassen: Behörden verweisen auf Datenschutz, Akten sind unauffindbar oder lückenhaft. „Es ist wie ein Puzzle, bei dem die wichtigsten Teile fehlen“, sagt Reporterin Schneemelcher, die Heinze über Monate begleitet hat.

Der Fall zeigt, wie schmerzhaft die Aufarbeitung für viele Familien ist. Noch immer warten Hunderte von Anträgen auf Einsicht in Geburts- und Adoptionsakten. Hilfsinitiativen wie der Verein „Adoptionsopfer DDR“ fordern endlich eine staatlich finanzierte Aufklärungskommission – ähnlich der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Für Kerstin Heinze bleibt die Suche nach ihrer Zwillingsschwester nicht nur eine private Mission, sondern auch ein Symbol für ein kollektives, verdrängtes Trauma. „Ich will sie nicht zur Rede stellen, ich will sie einfach nur sehen“, sagt sie.

Die Dokumentation über ihre Spurensuche soll im kommenden Jahr erscheinen – als Teil eines größeren Projekts, das das Schweigen über die DDR-Zwangsadoptionen brechen will. Denn erst, so sagen viele Betroffene, wenn das ganze Ausmaß bekannt ist, kann wirkliche Versöhnung beginnen.

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