Als US-Finanzminister Scott Bessent im September das Ruder übernahm, ging es um nicht weniger als einen finanziellen Drahtseilakt in Lateinamerika. Die Devise: „Peace through Economic Strength“ – Frieden durch wirtschaftliche Stärke. Das Ziel: Argentinien stabilisieren, bevor dessen Währung – und mit ihr der Präsident Javier Milei, ein enger Verbündeter von Donald Trump – endgültig ins Bodenlose stürzt.
Die US-Regierung stellte einen 20-Milliarden-Dollar-Währungstausch (Swap) bereit und begann, in großem Stil argentinische Pesos zu kaufen – eine riskante Entscheidung, gerade von einer Regierung, die sich sonst lautstark auf „America First“ beruft.
Politischer Sieg für Milei, finanzielles Fragezeichen für die USA
Kurzfristig hat sich das Engagement ausgezahlt – zumindest politisch. Mileis Partei konnte bei den Zwischenwahlen Mitte Oktober nicht nur ihre Stellung halten, sondern sogar ausbauen. Seine radikalen Sparmaßnahmen („Chainsaw Economics“) wurden von der Bevölkerung überraschend honoriert.
Doch an den Finanzmärkten sieht das Bild anders aus. Der Peso verlor allein dieses Jahr rund 30 % an Wert, zuletzt erneut 4 %. Auch wenn Aktien und Anleihen positiv reagierten, bleibt die Landeswährung angeschlagen – trotz amerikanischer Milliardenhilfen.
Bessents Verteidigung: Der Peso sei „unterbewertet“ und die Brücke, die man mit der Intervention gebaut habe, „zeige bereits Gewinn für das amerikanische Volk“. Details? Fehlanzeige. Das US-Finanzministerium schwieg bislang zu Umfang und Zeitplan der Peso-Käufe oder zu Sicherheiten, die Argentinien eventuell gestellt hat.
Ökonomischer Poker mit zweifelhafter Grundlage
Für viele Analysten ist klar: Der vermeintliche „unterbewertete Peso“ sei in Wahrheit künstlich gestützt – durch harte Eingriffe der argentinischen Zentralbank. Seit April hält diese den Peso mit engen Handelsgrenzen am Leben – ein Kraftakt, der massiv an die Devisenreserven geht. Gleichzeitig verbrennen die Währungshüter Milliarden, um den Kurs zu verteidigen – teils aus IWF-Mitteln.
Doch Experten warnen: Dieses Modell ist nicht nachhaltig. Viele Argentinier flüchten bereits in den US-Dollar, und das Vertrauen in die heimische Währung bleibt brüchig – trotz politischem Rückenwind für Milei.
Bessents Dilemma: Nachlegen oder loslassen?
Der frühere Währungsspekulant Bessent – einst bekannt als Teil der Truppe, die 1992 das britische Pfund „zerlegte“ – steht nun auf der anderen Seite der Spekulation: Er verteidigt eine schwache Währung, statt gegen sie zu wetten.
Doch was, wenn der Peso weiter fällt? Soll die US-Regierung dann erneut eingreifen – und womöglich Milliarden in eine Währung pumpen, die immer weniger wert ist? Oder zieht man sich zurück – mit finanziellen Verlusten und einem Image-Schaden?
„Bessent muss sich entscheiden, ob er verdoppelt – oder akzeptiert, dass die Intervention nur bis zur Wahl wirkte“, sagt Brad Setser vom Council on Foreign Relations.
Republikaner und Demokraten murren gleichermaßen
Die Kritik an der Aktion kommt mittlerweile von allen Seiten: Demokraten werfen der Regierung vor, ausgerechnet in Zeiten eines US-Haushaltsstillstands Finanzfreunde zu stützen, während sich konservative „America First“-Anhänger wundern, warum ausgerechnet Trump amerikanisches Steuergeld nach Buenos Aires schickt.
Trump selbst verteidigt das Vorgehen: „Argentinien kämpft ums Überleben“, sagte er und lobte Milei als seinen „Lieblingspräsidenten“.
Wirtschaftlich bleibt alles offen
Während einige argentinische Unternehmen wieder Zugang zu internationalen Märkten finden, bleiben die Aussichten für den Peso unsicher. Zwar gibt es vorsichtigen Optimismus bei Investoren – aber auch viele offene Fragen.
„Langfristig könnte der Peso wieder steigen – wenn die Reformen konsequent umgesetzt werden“, sagt Kathryn Exum von Gramercy Funds. „Aber da liegt noch ein weiter Weg vor Argentinien.“
Derweil bleibt Bessents große Wette ein riskantes Manöver – vielleicht mit politischem Gewinn, aber unter finanzieller Dauerbeobachtung.
Fazit:
Washingtons Milliarden-Wette auf Argentinien könnte sich als brillanter Schachzug oder als kostspieliges Eigentor entpuppen. Für den Moment bleibt sie vor allem eins: Ein riskanter Einsatz auf ein Land, dessen wirtschaftliche Geschichte selten stabile Währungen und verlässliche Rückzahlungen hervorgebracht hat.
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