Ein kurioser, aber wegweisender Fall hat vor dem Landgericht Kiel für Aufsehen gesorgt: Darf ein veganer Likör mit dem Hinweis „Likör ohne Ei“ vermarktet werden – oder verstößt das gegen EU-Spirituosenrecht? Die Richter entschieden eindeutig: Ja, er darf. Der „Likör ohne Ei“ aus Henstedt-Ulzburg bleibt unter diesem Namen erlaubt.
Damit endet ein monatelanger Streit zwischen einem kleinen Familienunternehmen und einem mächtigen Branchenverband – und setzt zugleich ein deutliches Zeichen für die wachsende Zahl veganer Produzenten in Deutschland.
Ein kleiner Hersteller gegen die große Lobby
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Nachlass Warlich GmbH aus Henstedt-Ulzburg im Kreis Segeberg. Firmenchef Ole Wittmann, der neben klassischem Eierlikör auch eine vegane Variante auf Sojabasis vertreibt, wollte sein Produkt schlicht „Likör ohne Ei“ nennen.
Doch der Schutzverband der Spirituosen-Industrie sah darin eine verbotene Anspielung auf den geschützten Begriff „Eierlikör“. Nach EU-Recht dürfen geschützte Bezeichnungen nur dann verwendet werden, wenn die entsprechenden Zutaten tatsächlich enthalten sind.
Der Anwalt des Verbands, Christofer Eggers, argumentierte entsprechend streng:
„Schon die bloße Bezugnahme auf Eier ist unzulässig. Das ist genau die Anspielung, die das Gesetz verbietet.“
Mit anderen Worten: Selbst ein Hinweis auf das Nichtvorhandensein von Eiern sei zu nah am Original.
David gegen Goliath – der Produzent bleibt standhaft
Für den Unternehmer Wittmann stand nicht nur ein Markenname auf dem Spiel, sondern auch die Glaubwürdigkeit seines Produkts. Er hielt dagegen – mit gesundem Menschenverstand und einer klaren Botschaft an die Verbraucher:
„Der Name ‚Likör ohne Ei‘ kann gar kein Eierlikör sein. Er sagt ja ausdrücklich, dass kein Ei enthalten ist. Das ist transparent, nicht irreführend.“
Zur Unterstützung seiner Verteidigung startete Wittmann sogar eine kreative Kampagne: Eine Sonderedition des Likörs kam auf den Markt, bei der eine Hahnenfeder den letzten Buchstaben verdeckte. So stand auf der Flasche nur noch „Likör ohne E“. Der subtile Humor kam gut an – und sorgte in sozialen Medien für Aufmerksamkeit.
Gericht gibt Wittmann recht: Keine Täuschung, kein Gesetzesverstoß
Das Landgericht Kiel folgte schließlich der Argumentation des Herstellers. In seiner Entscheidung stellte es klar, dass der Begriff „Likör ohne Ei“ weder irreführend noch eine unzulässige Anspielung auf „Eierlikör“ sei.
Verbraucherinnen und Verbraucher könnten zweifelsfrei erkennen, dass es sich um ein eigenständiges Produkt handele. Eine Täuschung liege gerade nicht vor – im Gegenteil: Der Name mache die Abgrenzung zum Eierlikör überdeutlich.
Damit wies das Gericht die Klage des Spirituosenverbands ab. Der vegane Likör darf weiterhin unter dem Namen „Likör ohne Ei“ verkauft werden.
Kleiner Wermutstropfen: 5.000 Euro Strafe wegen Formfehler
Ganz ohne Kosten bleibt der Sieg für Wittmann jedoch nicht. Die Nachlass Warlich GmbH muss 5.000 Euro an den Verband zahlen, weil sie im Laufe des Verfahrens gegen eine bereits abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen hatte – ein Nebenaspekt des eigentlichen Rechtsstreits.
Dennoch überwiegt der Erfolg deutlich: Für Wittmann und viele andere Hersteller veganer Alternativen ist das Urteil ein klares Signal für mehr Freiheit in der Produktkennzeichnung.
Bedeutung über den Einzelfall hinaus
Das Kieler Urteil könnte über diesen Fall hinaus Bedeutung haben. Es zeigt, dass Transparenz in der Bezeichnung – also der klare Hinweis, was nicht enthalten ist – von den Gerichten positiv bewertet wird.
Gerade in Zeiten, in denen der Markt für vegane und pflanzliche Alternativen wächst, stärkt die Entscheidung kleine Produzenten, die sich gegen strenge oder teils überholte EU-Kategorisierungen behaupten müssen.
Fazit
Der Fall „Likör ohne Ei“ ist mehr als eine skurrile Auseinandersetzung über Etikettenrecht. Er ist ein Beispiel dafür, wie Verbraucherverständnis und gesunder Menschenverstand vor Gericht siegen können.
Während der Spirituosenverband auf strenge EU-Vorschriften pochte, entschieden die Richter pragmatisch – zugunsten von Klarheit, Ehrlichkeit und Innovation.
Das Urteil aus Kiel zeigt: Auch in der Spirituosenwelt darf Transparenz schmecken.
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