Im Sommer 1983 erlebte die damals elfjährige Kristine Heck das Unvorstellbare: Sie wurde gemeinsam mit ihrer zehnjährigen Schwester vom Serienmörder Christopher Wilder entführt und sexuell missbraucht – nur wenige Meter vom öffentlichen Leben in Boynton Beach, Florida, entfernt.
Heute, vier Jahrzehnte später, erzählt Kristine – nun Kristine Conyers – erstmals ihre Geschichte öffentlich. Nicht nur, um über den Horror zu sprechen, sondern um zu zeigen, wie tiefgreifend solche Erlebnisse ein Leben prägen können.
„Du brauchst eine Freundin“ – wie alles begann
Der Täter, Christopher Wilder, trat zunächst über das Telefon in Kristines Leben – getarnt mit der Stimme einer vermeintlich netten Frau aus der Schule. Wochenlang sprach er mit Kristine über ihre Hobbys wie Rollschuhlaufen, Tennis und Modeln. Irgendwann wurde aus dem freundlichen Gespräch eine verstörende Konversation mit sexuellen Anspielungen.
Als Kristine ihren Eltern davon erzählte, rieten sie ihr, den Kontakt abzubrechen. Doch es war zu spät – Wilder hatte sie bereits ins Visier genommen.
Entführung mitten am Tag
Am 15. Juni 1983 lockte Wilder die beiden Schwestern in sein Auto – mitten am Tag, nahe der örtlichen Bibliothek. Unter vorgehaltener Waffe zwang er sie in seinen Wagen. Seine Masche: Er gab sich als Fotograf für ein Modelprojekt aus, versprach ihnen eine große Karriere.
Stattdessen brachte er sie in ein abgelegenes Waldstück, legte eine Plane aus – und verging sich an ihnen.
Vier Stunden später ließ er sie an dem Ort zurück, an dem er sie gekidnappt hatte.
Der Täter: Christopher Wilder, der „Beauty Queen Killer“
Wilder war ein charmanter, erfolgreicher Unternehmer – ein aus Australien stammender Bauunternehmer mit einer dunklen Vergangenheit. Schon als Teenager hatte er Mädchen sexuell missbraucht. In den 1980er-Jahren nutzte er seine Rolle als angeblicher Fotograf, um Frauen und Mädchen zu täuschen.
Ein Jahr nach dem Angriff auf Kristine und ihre Schwester ermordete er während eines zweimonatigen Amoklaufs neun Frauen in den USA. Seine Opfer waren meist junge Frauen, denen er Modeljobs versprach. Wilder wurde schließlich im April 1984 getötet – durch zwei selbst zugefügte Schüsse, kurz vor der kanadischen Grenze.
40 Jahre später: „Ich war mein Leben lang gelähmt“
Was folgte, war jahrzehntelanges Schweigen. Kristine wurde von ihrer Umgebung nicht unterstützt, stattdessen sogar in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen – obwohl sie Opfer war.
„Man sagte mir, ich sei verrückt. Niemand hat mir geglaubt. Ich wurde erneut traumatisiert, dieses Mal von dem System, das mich hätte schützen sollen.“
Später wurde sie erneut Opfer sexueller Gewalt. Doch sie kämpfte sich zurück ins Leben. Heute betreibt sie ein eigenes Geschäft, hat vier Söhne und zwei Enkelkinder. Erst jetzt – mit über 50 Jahren – beginnt sie, den Schmerz vollständig zu verarbeiten.
Ein neues Kapitel: Hilfe für andere Überlebende
Kristine hat inzwischen eine gemeinnützige Organisation gegründet: Yesterday, Today and Tomorrow Women. Ziel ist es, Frauen über Generationen hinweg zu verbinden, zu stärken und Überlebenden sexueller Gewalt einen sicheren Ort für Austausch und Heilung zu bieten.
Ihre Botschaft
„Ich werde oft gefragt, warum ich gerade jetzt meine Geschichte erzähle“, sagt Kristine. „Ich tue es für die, die nicht überlebt haben. Ich erzähle, weil ich es kann. Und weil wir überleben dürfen, ohne uns zu schämen.“
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