Obwohl weite Teile der US-Regierung aktuell stillstehen, zeigt sich die Wall Street unbeeindruckt: Der Aktienmarkt klettert weiter nach oben – und das trotz fehlender Wirtschaftsdaten, die normalerweise aus Regierungsstellen stammen.
Am Freitag schloss der Dow Jones Industrial Average mit einem Plus von 239 Punkten (0,51 %), nachdem er im Tagesverlauf zeitweise um bis zu 530 Punkte gestiegen war. Der S&P 500 legte leicht um 0,01 % zu, während der Nasdaq Composite, der viele Technologieaktien enthält, um 0,28 % fiel.
Optimismus trotz politischer Unsicherheit
Der Grund für die anhaltende Stärke an den Börsen liegt laut Analysten in robusten Unternehmensgewinnen, der Begeisterung für Künstliche Intelligenz sowie der Hoffnung, dass die US-Notenbank (Fed) bald die Zinsen senken könnte.
„Historisch gesehen haben Regierungsstillstände vor allem symbolischen Charakter und nur selten direkte Auswirkungen auf Unternehmensgewinne oder langfristige wirtschaftliche Entwicklungen“, erklärte Sam Stovall, Chefstratege bei CFRA Research.
Der Dow und der S&P 500 verzeichneten in den ersten drei Tagen des Shutdowns jeweils neue Rekordstände. Auch für die gesamte Woche legten alle drei großen Indizes mehr als 1 % zu.
Kein Arbeitsmarktbericht, keine Klarheit
Gleichzeitig sorgt der Stillstand der Bundesbehörden für eine „Daten-Blackout“: Wichtige Wirtschaftsdaten, wie der monatliche Arbeitsmarktbericht des Bureau of Labor Statistics (BLS), wurden nicht veröffentlicht.
Ohne offizielle Zahlen fehlt es Investoren, Analysten und der Fed an verlässlichen Indikatoren für die aktuelle wirtschaftliche Lage – insbesondere, da die Sorge über einen schwächelnden Arbeitsmarkt und anhaltend hohe Inflation wächst.
„Ein Regierungsstillstand kommt nie zum richtigen Zeitpunkt – aber dieser ist besonders ungünstig“, schrieb Mark Hamrick, leitender Analyst bei Bankrate. „Gerade jetzt fehlen entscheidende Arbeitsmarktdaten, obwohl es bereits andere Anzeichen wirtschaftlicher Schwäche gibt.“
Behörden wie das BLS, das Bureau of Economic Analysis und das US Census Bureau gaben bekannt, dass sie bis zum Ende des Shutdowns keine neuen Daten veröffentlichen werden.
„Das sorgt für mehr Unsicherheit, weil die üblichen wirtschaftlichen Orientierungspunkte fehlen“, sagte José Torres, Chefökonom bei Interactive Brokers.
Dauer des Shutdowns entscheidend
Auch wenn der Markt aktuell positiv bleibt, mahnen Experten zur Vorsicht: Je länger der Stillstand andauert, desto schwieriger wird es für die Fed, ihre geldpolitischen Entscheidungen zu treffen – vor allem ohne verlässliche Informationen über Inflation und Beschäftigung.
„Es ist derzeit besonders schwierig, den Zustand des US-Arbeitsmarktes einzuschätzen“, so Bill Adams, Chefökonom der Comerica Bank.
Keith Buchanan von Globalt Investments warnt: „Die Märkte sind zu gelassen. Viele unterschätzen die Risiken eines langwierigen und politisch aufgeheizten Stillstands.“
Abhängigkeit von privaten Datenquellen
In Ermangelung staatlicher Daten greifen Investoren nun auf alternative Quellen zurück. So meldete der private Arbeitsmarktdienstleister ADP, dass im September 32.000 Stellen im Privatsektor abgebaut wurden – ein weiteres Zeichen für die Schwäche des Arbeitsmarktes.
Diese Zahl veranlasste Händler dazu, vermehrt auf eine Zinssenkung der Fed im Oktober zu setzen, was wiederum den Aktienmärkten Auftrieb gab.
Trotzdem bleibt die Qualität solcher Daten umstritten.
„Private Daten sind kein vollwertiger Ersatz“, sagte Paul Donovan, Chefökonom bei UBS Global Wealth Management. „Sie liefern zwar ein klares Bild – aber nur durch ein Schlüsselloch. Offizielle Daten öffnen die Tür.“
„Blindflug“ für die Fed
Paul Christopher vom Wells Fargo Investment Institute rät Anlegern, sich nicht zu sehr auf die kurzfristigen politischen Störungen zu konzentrieren. Die entscheidenden Faktoren für die Märkte in den nächsten 12 bis 15 Monaten seien struktureller Natur: etwa die erwarteten Zinssenkungen und eine Normalisierung der Handelspolitik.
Für die Fed jedoch bleibt der Arbeitsmarktbericht ein zentrales Instrument. Ohne diese Daten ist die Notenbank „im Blindflug“ unterwegs, warnt David Seif, Chefökonom bei Nomura.
„Wenn der Shutdown länger andauert, könnte die Fed zwischen den Zinssitzungen am 17. September und 29. Oktober ohne jegliche hochkarätige Wirtschaftsdaten auskommen müssen“, so Seif.
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