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Thailand kippt nach 50 Jahren rigide Frisurvorschriften für Schüler:innen

sasint (CC0), Pixabay
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Nach Jahrzehnten restriktiver Vorschriften dürfen thailändische Schüler:innen endlich selbst über ihre Frisuren entscheiden. Das oberste Verwaltungsgericht des Landes erklärte im März 2025 eine Regelung aus dem Jahr 1975 für verfassungswidrig, die Jungen zu militärisch kurzen Haarschnitten und Mädchen zu kinnlangen Bobs verpflichtet hatte.

Die Vorschrift habe „unverhältnismäßig in die persönliche Freiheit eingegriffen“, urteilte das Gericht. Zudem habe sie nicht mehr dem gesellschaftlichen Wandel entsprochen und negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit junger Menschen gehabt – insbesondere auf jene mit nicht-binären oder diversen Geschlechtsidentitäten.

Hintergrund: Scham, Kontrolle und Zwangshaarschnitte

Viele ehemalige Schüler erinnern sich bis heute an demütigende Erlebnisse. So berichtet der heutige Student Baramee Chaovawanich, dass ihm als Achtklässler vor versammelter Schülerschaft der Kopf halb rasiert wurde – seine Haare waren nur wenige Zentimeter zu lang. Der Vorfall habe ihn jahrelang verunsichert.

Solche Zwangsmaßnahmen waren in Thailand lange Alltag. Erst 2013 wurden die Regeln leicht gelockert. Doch selbst danach mussten Schülerinnen ihre Haare streng binden, und Schüler durften sie nur bis zum Nacken wachsen lassen.

Gerichtsurteil nach Protesten

Der Gerichtsentscheid ist eine direkte Folge der landesweiten Schülerproteste im Jahr 2020, bei denen sich die Bewegung „Bad Students“ besonders für Bildungsreformen und gegen autoritäre Schulstrukturen einsetzte. Mit Uniform-Demonstrationen, Haarschnittaktionen und politischen Symbolen wie dem Drei-Finger-Gruß machten sie ihre Forderungen sichtbar.

Das Bildungsministerium hatte bereits 2023 erste Lockerungen eingeführt und Schulen mehr Spielraum bei eigenen Vorschriften gegeben. Mit dem aktuellen Urteil sind die alten Regelungen nun endgültig aufgehoben.

Reform mit Lücken?

Nicht alle Schüler:innen trauen dem Wandel. Manche befürchten, dass Schulen weiterhin strenge Regeln durchsetzen könnten – nun allerdings ohne klare zentrale Kontrolle. Der Aktivist Baramee („Khao Klong“) kritisiert, dass das Urteil bislang kaum spürbare Veränderungen gebracht habe.

Der Bildungsexperte Thunhavich Thitiratsakul warnt vor vorschnellem Jubel: „Solange Schulen ihre Regeln nicht gemeinsam mit Schüler:innen und Eltern überarbeiten, bleibt der Machtmissbrauch bestehen.“

Ein langsamer Kulturwandel

Die rigiden Vorschriften wurzeln tief in Thailands konservativer Gesellschaft und in der langen Geschichte von Militärregierungen. Der Dresscode galt lange als Mittel zur Disziplinierung – wer sich an Regeln hält, wird als „guter Mensch“ gesehen, so die Logik.

Doch die neue Generation denkt anders. Schüler:innen wie die 16-jährige Nijchaya aus Bangkok zeigen sich erleichtert: „Ich durfte meine Stirnfransen offen tragen – und niemand hat etwas gesagt.“ Ihre Antwort auf die Frage, ob sie auch Kleidung frei wählen möchte: „Auf jeden Fall.“

Ob und wie schnell sich die thailändische Schulkultur weiter verändert, bleibt abzuwarten. Doch für viele junge Menschen war das Urteil ein symbolischer Sieg. „Wir wollen einfach selbst bestimmen können, wie wir aussehen“, sagt Khao Klong. „Denn Rechte muss man einfordern – sonst geraten sie in Vergessenheit.“

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