Thailand hat am Mittwoch die Stromversorgung für mehrere Gebiete im benachbarten Myanmar gekappt, in denen berüchtigte Online-Betrugszentren operieren. Diese Entscheidung der thailändischen Regierung ist Teil eines verstärkten Vorgehens gegen kriminelle Netzwerke, die mit Betrugsmaschen weltweit Milliarden ergaunern.
Laut Berichten einer lokalen NGO war mindestens eines der betroffenen Betrugszentren auch nach der Stromabschaltung noch in Betrieb. Ob andere Standorte ebenfalls weiterhin operieren, bleibt unklar.
Hochburgen des Online-Betrugs
Die sogenannten Scam-Zentren werden überwiegend von chinesischen Syndikaten betrieben und haben sich in Myanmar seit dem Militärputsch von 2021 massiv ausgebreitet. Oft werden Arbeitskräfte mit falschen Jobversprechen in die Anlagen gelockt, wo sie unter Zwang Online-Betrügereien durchführen müssen. Ehemalige Opfer berichten von Misshandlungen und Folter in den streng bewachten Komplexen.
Am Mittwoch verfolgte die thailändische Öffentlichkeit live im Fernsehen, wie Innenminister Anutin Charnvirakul persönlich anwesend war, als der Strom für fünf Standorte in Myanmar abgeschaltet wurde. „Die Elektrizitätsversorgung wird nicht gestoppt, weil Verträge verletzt wurden, sondern weil sie für Betrug, Drogenhandel und Callcenter-Machenschaften missbraucht wird“, erklärte Anutin gegenüber Reportern.
Ein besonders betroffener Ort ist die Stadt Myawaddy, direkt an der Grenze zu Thailand. Die Nähe zu Thailand bietet den Kriminellen verlässliche Strom- und Telekommunikationsinfrastruktur, wodurch ihre illegalen Aktivitäten erleichtert werden.
Wachsende internationale Aufmerksamkeit
Der jüngste Fokus auf diese Scam-Zentren wurde unter anderem durch die Entführung des chinesischen Schauspielers Wang Xing verstärkt. Xing war unter dem Vorwand eines Filmcastings nach Bangkok gereist, wurde dort entführt und in ein Scam-Zentrum in Myanmar gebracht. Nachdem er von den thailändischen Behörden gerettet wurde, machten zahlreiche chinesische Familien auf ähnliche Fälle aufmerksam und forderten die Rückkehr ihrer Angehörigen.
Die Betrugsanlagen in Myanmar haben sich über Jahre hinweg etabliert und sind durch weit verbreitete Korruption und Gesetzlosigkeit geschützt. Doch der Druck auf die thailändische Regierung steigt. In jüngster Zeit fanden mehrere hochrangige Treffen zwischen Thailand, Myanmar und China statt, die auf ein verstärktes Vorgehen gegen die Syndikate hindeuten.
Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra ist derzeit auf Staatsbesuch in Peking, wo sie mit Chinas Präsident Xi Jinping über das Problem sprechen wird. Die chinesische Regierung zeigte sich besorgt über die kriminellen Aktivitäten an der Grenze, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums.
Kann die Stromabschaltung den Betrug stoppen?
Ehemalige Arbeiter berichten, dass die Betrugszentren wie kleine Städte funktionieren – mit eigenen Supermärkten, Restaurants und sogar Kindertagesstätten. Neben Online-Betrug sind Glücksspiel und Prostitution weitere Einnahmequellen.
Nach Schätzungen der thailändischen NGO Civil Society Network for Victim Assistance in Human Trafficking werden allein in Myawaddy rund 6.500 Menschen aus 23 Ländern unter Zwang in solchen Betrugsanlagen festgehalten, darunter etwa 4.500 Chinesen.
Vergangene Stromabschaltungen Thailands hatten jedoch kaum messbare Auswirkungen. Die Betreiber verfügen über Dieselgeneratoren und nutzen das Satelliteninternet von Elon Musks Starlink, das bereits in anderen Teilen Myanmars von Rebellengruppen eingesetzt wird. Ein Einwohner von Mae Sot, einer thailändischen Grenzstadt, äußerte sich skeptisch: „Heute Abend werden die Lichter in Shwe Kokko wieder leuchten.“
Myanmar als globales Zentrum des Cyber-Betrugs
Seit dem Militärputsch 2021 hat Myanmar sich zu einem internationalen Hotspot für Cyber-Kriminalität entwickelt. Menschenhandel, Geldwäsche und Online-Betrug florieren – oft mit stillschweigender Duldung der Militärjunta, so Experten.
China hat bereits in der Vergangenheit mit den myanmarischen Behörden zusammengearbeitet, um Betrugszentren in der nördlichen Shan-Region zu zerschlagen. 2023 wurden dort mächtige Verbrecherfamilien, die mit der Militärjunta kooperierten, verhaftet und an China ausgeliefert.
Seitdem sind viele Scam-Zentren weiter in den Süden Myanmars verlagert worden, insbesondere nach Myawaddy. Experten gehen davon aus, dass sich die Betrugsnetzwerke flexibel an neue Herausforderungen anpassen werden. Die jüngste Stromabschaltung könnte also ein Signal sein – aber ob sie tatsächlich einen nachhaltigen Effekt hat, bleibt abzuwarten.
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