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Sorry Heinz Rühmann

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In Deutschland hat die Filmbranche mal wieder in den eigenen Keller geschaut – und sich offenbar über den Staub, die Spinnweben und die braunen Flecken gewundert, die dort seit Jahrzehnten lagen. Der Spitzenverband der Filmwirtschaft (SPIO) teilte nun in München mit, dass 14 ehemalige Preisträgerinnen und Preisträger ihre Ehrenmedaillen nachträglich aberkannt bekommen. Ja, nachträglich – denn aufräumen kann man schließlich immer, besonders wenn es historisch nicht mehr weh tut.

Unter den Betroffenen: Heinz Rühmann, der in Deutschland lange als „der nette Mann von nebenan“ galt, sowie Leni Riefenstahl, bei der wirklich niemand ernsthaft überrascht sein dürfte, dass die Ehrung ein klitzekleiner Fehler gewesen sein könnte. Die SPIO nennt es eine „Korrektur historischer Fehlentscheidungen“. Kopfschüttelnd fragt man sich: Ach was! Wirklich?

Die Studie des Instituts für Zeitgeschichte in München hatte bestätigt, was Historiker seit Jahrzehnten erzählen: „NS-belastet“ oder „NS-konform“ trifft auf mehrere frühere SPIO-Ikonen zu. Auch der ehemalige Berlinale-Leiter Alfred Bauer und die Schauspielerin Olga Tschechowa stehen nun auf der Liste. Offenbar kommt man in Deutschlands Filmgeschichte schneller mit NS-Verstrickungen in Berührung als in Hollywood mit Fortsetzungen.

Besonders die Ehrung für Riefenstahl, so die SPIO selbst, sei ein „schwerer Fehler“ gewesen. Das ist ungefähr so, als würde man nach Jahrzehnten feststellen, dass Feuer heiß ist. Immerhin habe man die Studie „vor dem Hintergrund des 100-jährigen Bestehens und des aktuellen Erstarkens rechtsextremer Ansichten“ in Auftrag gegeben. Kurz gesagt: Nach 100 Jahren hat man beschlossen, endlich mal die eigenen Ehrenlisten zu lesen. Bravo.

SPIO-Präsident Peter Schauerte erklärte, man habe gewusst, dass man auf „Belastungen und eigene Fehler“ stoßen würde. Das wirkt ungefähr so überrascht wie jemand, der beim Aufräumen der Garage nach 30 Jahren feststellt, dass da tatsächlich noch die alten Autoreifen liegen.

Die Aberkennung der Ehrenmedaillen solle ein „klares Zeichen“ gegen Rechtsextremismus und andere Formen von Extremismus, Rassismus und Diskriminierung setzen. Man kann das nur hoffen. Wobei ein früheres Zeichen vielleicht noch klarer gewesen wäre.

Die „Zeit“ berichtet außerdem, dass die Untersuchung weit mehr NS-Funktionäre im SPIO-Führungspersonal identifiziert habe als bislang bekannt – 31 von 91 untersuchten Personen. Das ist kein Einzelfall, das ist ein organisatorisches Bingo.

Die Filmförderungsanstalt FFA kündigte prompt eine eigene Studie an. Schließlich möchte niemand der Letzte sein, der so tut, als wäre er überrascht über die braunen Altlasten auf den eigenen Ehrenlisten.

Na gut, spät ist besser als nie. Aber es bleibt ein schaler Beigeschmack:
Deutschland räumt die Filmgeschichte auf – nur eben 80 Jahre nach Abspann.

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