In den USA erlebt die Debatte über Sexarbeit derzeit einen öffentlichen Höhepunkt – angefacht durch virale Auftritte von OnlyFans-Stars, Medienberichte, ein preisgekröntes Filmdrama („Anora“) und zunehmend sichtbare Aktivist*innen. Doch viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter kritisieren: Die Diskussion bleibt oberflächlich und blendet die realen Probleme ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen aus.
Zwischen Empowerment und Entmenschlichung
Der Slogan „Sexarbeit ist Arbeit“ hat breite Akzeptanz in progressiven Kreisen gefunden. Doch laut Aktivistin und Sexarbeiterin Marla Cruz reicht das nicht:
„Anerkennung ist gut – aber Respekt und konkrete Schutzmaßnahmen fehlen.“
Während Stars wie Bonnie Blue und Lily Phillips mit aufsehenerregenden Aktionen Schlagzeilen machen (z. B. Gruppensex-Events mit Hunderten Männern), kritisieren Kolleginnen wie Sophie Rain, dass solche Stunts das Image der Branche beschädigen:
„Das ist kein Empowerment mehr – das ist ein Zirkus, der uns alle zur Witzfigur macht.“
Schattenseiten der Branche: Gewalt, Armut, rechtliche Hürden
Marla Cruz berichtet von Missbrauch im „Champagnerzimmer“ eines Stripclubs – ohne Hilfe vom Management. Online verdienende Sexarbeiterinnen wie Adreena Winters sehen sich mit Bankkonto-Sperrungen und finanzieller Diskriminierung konfrontiert.
Ein besonders großes Problem ist die umstrittene US-Gesetzgebung FOSTA-SESTA, die eigentlich gegen Menschenhandel gerichtet war, aber viele legale Plattformen für Sexarbeit abgeschaltet hat – mit gravierenden Folgen:
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72 % der betroffenen Sexarbeiter*innen litten unter finanzieller Instabilität.
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34 % berichteten von mehr Gewalt durch Kunden.
Cruz fordert deshalb die Abschaffung von FOSTA-SESTA und eine vollständige Entkriminalisierung der Sexarbeit.
Mediale Repräsentation – ohne Mitbestimmung der Betroffenen
Auch der gefeierte Film „Anora“ stößt auf Kritik. Obwohl er die Geschichte einer jungen Stripperin erzählt und bei der Oscarverleihung gewürdigt wurde, empfinden viele Sexarbeiter*innen ihn als romantisierend und entmenschlichend.
Cruz bringt es auf den Punkt:
„Der Film zeigt uns durch die Augen der Kunden – nicht als Menschen, die harte Arbeit leisten.“
Selbst Oscar-Dankesworte an die „Sexarbeiter-Community“ wirken für sie leer, solange echte politische Verbesserungen ausbleiben:
„Wir brauchen keinen Applaus. Wir brauchen Rechte, Schutz, Mitbestimmung.“
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