Die Ukraine will in die EU, keine Frage. Und dafür gibt’s klare Spielregeln: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit – und bitte etwas weniger Korruption als bisher. Doch statt Transparenz liefert Kiew nun eine politische Nebelgranate: Mit einem hastig durchgedrückten Gesetz wird ausgerechnet der Kampf gegen die Korruption… nun ja, besser koordinierbar gemacht – aus Sicht des Präsidenten, versteht sich.
Denn wer könnte besser beurteilen, ob Ermittlungen effektiv sind, als ein Generalstaatsanwalt, der direkt dem Präsidenten unterstellt ist?
Antikorruption – jetzt mit Anleitung von oben
Das neue Gesetz schneidet den beiden Vorzeige-Institutionen NABU und SAP kurzerhand die Flügel. Statt unabhängiger Ermittlungen heißt es jetzt: „Bitte bei der Generalstaatsanwaltschaft rückversichern.“ Die darf künftig nicht nur mitlesen, sondern auch entscheiden, ob eine Ermittlung überhaupt weitergeführt wird. Im Zweifel – natürlich – eher nicht.
Auch die Geheimdienste durften mitspielen: Razzien, Einschüchterung, Andeutungen über „Kollaboration mit Russland“. Klassiker. Dass diese Behörden zufällig gegen einen Ex-Vizeregierungschef ermittelten, der Präsident Selenskyj nahestehen soll – reiner Zufall. Versprochen.
EU-Partner: Not amused
In Brüssel brannten derweil die Drähte: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen meldete „ernsthafte Bedenken“, Erweiterungskommissarin Marta Kos warnte vor einem „Rückschritt“, Berlin und Paris schlossen sich an. Auch in Wien war man nicht begeistert – außer bei der FPÖ, die sich durch das Gesetz bestätigt fühlt: „Nicht EU-reif“, so Harald Vilimsky. Und für einmal kann man ihm kaum widersprechen.
Straßenproteste in Kiew: Jetzt wird’s ungemütlich
Während in Brüssel und Berlin diplomatisch gewarnt wurde, gingen in Kiew Tausende auf die Straße. Junge Menschen, NGO-Aktivisten, Bürgerrechtler – ausgerechnet jene, auf die die EU bei der Demokratisierung des Landes setzt. Ihre Forderung: „Gebt uns die Korruptionsjäger zurück – und zwar ohne Maulkorb.“
Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn protestieren Ukrainer gegen ihre Regierung. Ein Zeichen, dass sich etwas verschiebt – und dass auch ein Präsident im Kriegsmodus nicht alles durchwinken kann.
Selenskyjs Schadensbegrenzung: „Wir basteln da mal was Neues“
Die Regierung reagierte hektisch. Fotos wurden gepostet, Treffen inszeniert, Einigkeit beschworen. NABU und SAP durften öffentlich Kritik äußern (immerhin!) und dann kündigte Selenskyj ein neues Gesetz an, das… nun ja… irgendwie alles besser machen soll. Inhalt? Unklar. Zeitplan? Irgendwann. Vertrauen? Eher dünn.
Ach ja: Auch in diesem Kontext sprach Selenskyj wieder von „russischem Einfluss“. Ein Totschlagargument, das leider immer öfter inflationär daherkommt – besonders dann, wenn die eigene Politik in Schieflage gerät.
Fazit: Transparenz mit Deckel drauf
Die Ukraine braucht Milliardenhilfen, EU-Perspektive und internationale Rückendeckung – gerade im Krieg. Was sie nicht braucht: ein Gesetz, das aussieht wie eine Betriebsanleitung für die politische Sabotage von Ermittlungen.
Doch genau das hat Kiew geliefert.
Statt Reform zeigt die Regierung gerade, wie man Vertrauen verspielt. Und zwar nicht nur das der EU – sondern vor allem das der eigenen Bürger.
Ein Schritt näher an Brüssel? Eher ein Sprung zurück nach Janukowitsch.
Kommentar hinterlassen