Startseite Allgemeines Russland betreibt Netzwerk zur Umerziehung und Militarisierung ukrainischer Kinder
Allgemeines

Russland betreibt Netzwerk zur Umerziehung und Militarisierung ukrainischer Kinder

azmeyart-design (CC0), Pixabay
Teilen

Russland hält laut einem aktuellen Bericht einer US-Forschungsgruppe zehntausende ukrainische Kinder in einem weit verzweigten Netz von mehr als 200 Lagern fest, in denen sie umerzogen und teilweise auch militärisch ausgebildet werden. Die Rede ist von einer „möglicherweise beispiellosen“ Operation, die systematisch Kinder aus den besetzten Gebieten verschleppt und russifiziert.

Die Untersuchung stammt vom Humanitarian Research Lab der Yale School of Public Health, das sich auf die Dokumentation von Kriegsverbrechen spezialisiert hat.

Umerziehung, Sprachverbot und militärische Schulung

„Was wir sehen, ist ein industrialisiertes System der Umerziehung – oder besser: Gehirnwäsche –, das ukrainische Kinder in Russen verwandeln soll. In manchen Fällen sogar in Soldaten“, sagte Labordirektor Nathaniel Raymond bei der Vorstellung des Berichts am 16. September.

Die Forscher konnten die Kinder zu 210 Standorten zurückverfolgen, darunter Ferienlager, Sanatorien und sogar Militärbasen, sowohl in Russland selbst als auch in besetzten ukrainischen Gebieten. Teilweise sind die Kinder nur wenige Monate alt – im sogenannten „Waldfee-Camp“ oder „Teddybär-Camp“ werden ihnen russische Märchen erzählt und Kriegspropaganda vermittelt, so der Bericht.

Kinder ab acht Jahren werden demnach in Kadetteneinrichtungen gesteckt, wo sie Programme ähnlich dem US-amerikanischen JROTC (militärische Vorbereitungsschulen) durchlaufen. Teenager erhalten teils bereits Kampfausbildung – inklusive Drohnenmontage und Schützengrabenübungen.

In etwa 40 der identifizierten Lager beobachteten die Forscher explizit militärische Ausbildung. In einem Fall entdeckten sie einen Schützengraben in Form eines „Z“ – dem russischen Propagandasymbol.

Mehr als 35.000 Kinder betroffen?

Wie viele ukrainische Kinder Russland seit Kriegsbeginn im Februar 2022 genau verschleppt hat, ist unklar. Während Kiew von knapp 20.000 dokumentierten Fällen spricht, bezifferte das Yale-Team die Zahl bereits in früheren Berichten auf über 35.000 Kinder.

Laut Raymond ist das Ausmaß vergleichbar mit Deportationen unter Stalin oder der Kinderindoktrination im Dritten Reich. Einige der heutigen Lager befinden sich demnach sogar in denselben Gebäuden, in denen schon in der Sowjetoperation „Tidal Wave“ von 1949 Menschen aus dem Baltikum festgehalten wurden.

Einige Kinder würden nach einer Zeit im Lager zurückgeschickt, andere dauerhaft bei russischen Pflegefamilien untergebracht und zur Adoption freigegeben, so der Bericht.

Beweismittel: Selfies und Satellitenbilder

Die Ermittler stützten ihre Recherche auf öffentlich zugängliche Daten, Satellitenaufnahmen und – kurios, aber effektiv – auf Selfies, die russische Offizielle mit den verschleppten Kindern auf sozialen Medien veröffentlichten. Aus den Metadaten der Bilder ließ sich der Standort vieler Lager rekonstruieren.

Rund die Hälfte der Lager wird laut Bericht offiziell von russischen Staatsorganen betrieben, die andere Hälfte von privaten oder intransparenten Trägern – die tatsächliche staatliche Kontrolle dürfte jedoch noch umfassender sein.

Internationale Reaktionen und Ermittlungen

Ukrainische Regierungsvertreter werten den Bericht als eindeutigen Beleg für systematische Deportation, illegale Adoption und Kindermilitarisierung. „Russland plant offenbar, unsere Kinder zu einer Waffe gegen uns – und gegen Europa – zu machen“, sagte Andriy Yermak, Leiter des ukrainischen Präsidialamts.

Die Ergebnisse wurden an den UN-Sicherheitsrat sowie an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) weitergeleitet. Letzterer hatte bereits 2023 Haftbefehle gegen Wladimir Putin und Maria Lvova-Belova, die russische Kinderrechtsbeauftragte, erlassen.

Finanzierung trotz Trumps Kürzungen

Das Yale-Labor hatte ursprünglich Mittel vom US-Außenministerium erhalten. Diese wurden jedoch Anfang 2025 durch Präsident Trumps Regierung gestrichen – mit der Begründung, das Projekt sei „nicht im amerikanischen Interesse“. Erst nach öffentlichen Protesten und Warnungen aus dem Kongress wurden kurzfristig Gelder freigegeben, um bestehende Daten zu sichern.

Raymond betonte, dass die Arbeit ohne private Spenden – unter anderem von ukrainisch-amerikanischen Großmüttern – kaum hätte weitergeführt werden können. „Ich bekomme Spenden über fünf, zehn oder 25 Dollar mit Nachrichten wie: ‚Ich habe nicht viel, aber ihr sucht nach unseren Kindern – also macht weiter.’“

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Zuckersteuer auf dem Prüfstand: Gesundheitsgewinn oder neue Belastung für Verbraucher?

Der Vorstoß für eine Zuckersteuer sorgt bundesweit für kontroverse Diskussionen. Ausgangspunkt ist...

Allgemeines

Der Name bleibt – das Imperium geht: Signa-Marken und Domains werden versteigert

Mit der Insolvenz der Signa Holding erreicht die Verwertung des einst mächtigen...

Allgemeines

Der Duft der Weihnacht in Gefahr: Warum der Welt der Weihrauch ausgeht

Er gehört seit Jahrtausenden zu religiösen Ritualen, zur Medizin und heute auch...

Allgemeines

Insolvenz:n Antrag:FIWARE Foundation e. V.

3608 IN 11890/25 | In dem Verfahren über den Antrag FIWARE Foundation...