Ein Sprengstoffanschlag auf eine Bahnstrecke in Südostpolen, nahe der Grenze zur Ukraine, hat am Sonntag landesweit für Aufsehen gesorgt. Der polnische Premierminister Donald Tusk sprach vor Ort von einem „beispiellosen Akt der Sabotage“ und kündigte an, die Täter „unabhängig von ihren Hintermännern“ zur Rechenschaft zu ziehen.
Bei einem Besuch an der betroffenen Stelle, rund 100 Kilometer südöstlich von Warschau nahe der Ortschaft Mika, erklärte Tusk, dass die Schäden an den Gleisen gezielt verursacht wurden und mutmaßlich der Entgleisung eines Zuges galten. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.
Hinweise auf ausländische Drahtzieher
Nach einer anschließenden Krisensitzung der Sicherheitsbehörden in Warschau erklärte Polens Minister für Sonderdienste, Tomasz Siemoniak, dass es eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ gebe, dass der Anschlag auf Anweisung ausländischer Geheimdienste verübt worden sei. Zwar wurde Russland nicht explizit genannt, jedoch reiht sich der Vorfall in eine Serie mutmaßlich russisch initiierter Sabotage- und Brandanschläge in Polen ein, die als Teil hybrider Einflussnahme gewertet werden.
Das polnische Eisenbahnnetz spielt eine entscheidende Rolle in der militärischen und humanitären Unterstützung der benachbarten Ukraine. Es dient sowohl dem Transport von Gütern als auch der Bewegung von Zivilpersonen über die Grenze.
Zweiter Zwischenfall auf derselben Strecke
Unabhängig vom Sprengstoffanschlag kam es am Sonntag zu einem zweiten Vorfall auf derselben Bahnlinie: Ein überfüllter Personenzug musste abrupt stoppen. Auch hier wird Sabotage vermutet, wenngleich kein Sprengstoff gefunden wurde.
„Diese Vorfälle deuten darauf hin, dass die Urheber eine neue Phase der Bedrohung der Eisenbahninfrastruktur eingeleitet haben“, so Minister Siemoniak.
Explosion bestätigter Sprengsatz – Ermittlungen laufen
Laut Innenminister Mariusz Kamiński steht inzwischen „außer Zweifel“, dass am Ort der Explosion Sprengstoff verwendet wurde. Nähere Details wurden mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen bislang nicht bekannt gegeben. Ein Zugführer hatte am Sonntagmorgen gegen 7:30 Uhr Ortszeit die Schäden bemerkt und eine Notbremsung eingeleitet. Fotos vom Ort des Geschehens zeigen ein fehlendes Gleisstück.
Ein Anwohner berichtete polnischen Medien, er habe bereits am Vorabend einen lauten Knall gehört, der das Gebäude erschüttert habe. Zunächst sei man von einer Gasexplosion oder dem Absturz einer Drohne ausgegangen. Eine erste Polizeistreife habe jedoch keine Auffälligkeiten festgestellt. Am nächsten Morgen passierten mehrere Züge die beschädigte Stelle, bevor die Strecke schließlich gesperrt wurde.
Ermittlungen zu mutmaßlichen Tätern
Die polnische Polizei hat nach eigenen Angaben umfangreiches Beweismaterial gesichert, darunter Videoaufnahmen von Überwachungskameras in der Nähe. Bisher wurde niemand festgenommen.
Die Regierung ordnet den Vorfall in eine Reihe mutmaßlicher hybrider Angriffe ein, darunter Paketbomben, die im vergangenen Jahr über Litauen nach Polen gelangten. Eine explodierte nahe Warschau, eine andere erreichte ein DHL-Lager im Vereinigten Königreich. In Zusammenhang mit diesen Vorfällen befinden sich mehrere Verdächtige in Haft, darunter ein aus Bosnien ausgelieferter russischer Staatsbürger.
Weitere Fälle betreffen mutmaßlich über den Messenger-Dienst Telegram angeworbene Personen, die verdeckte Überwachungstechnik in der Nähe strategisch wichtiger Bahnstrecken installiert haben sollen.
Ziel: Einschüchterung und Destabilisierung
Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass der jüngste Anschlag vor allem psychologische Wirkung entfalten sollte – nicht zwingend um einen Zug zu zerstören, sondern um Angst zu verbreiten und Polens Unterstützung für die Ukraine zu untergraben.
Justizminister Adam Bodnar kündigte an, dass alle Beteiligten „kompromisslos verfolgt“ würden. „Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem sie sich verstecken können“, sagte er.
Trotz eines demonstrativen Auftritts mehrerer Regierungsvertreter und Sicherheitsbehörden wurden kritische Fragen laut, warum die Schäden nicht früher entdeckt wurden und wie ein solcher Sabotageakt überhaupt möglich war. Vertreter der Regierung wiesen diese Kritik zurück und bezeichneten sie als „unwahr und beleidigend“. Man habe schnell und effektiv reagiert.
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