Das Oberlandesgericht Stuttgart (Az.: 6 U 84/24) hat in einem rechtskräftigen Urteil klargestellt, wie Leasinggeber den Minderwert eines Fahrzeugs nach Vertragsende korrekt berechnen müssen. Eine pauschale Addition sämtlicher Reparaturkosten sei unzulässig; vielmehr müsse ein Abschlag erfolgen, der sich an Alter, Laufleistung und Fahrzeugtyp orientiert. Zudem sei das Wertminderungspotenzial jedes einzelnen Mangels individuell zu bewerten.
Im konkreten Fall hatte eine Leasinggesellschaft von einer Rechtsanwaltskanzlei und deren Partnern als Leasingnehmer nach Rückgabe eines geleasten Pkw einen Minderwertausgleich von 9.445 Euro gefordert. Das Landgericht Stuttgart hatte der Klage zunächst weitgehend stattgegeben, woraufhin die Beklagten Berufung einlegten.
Das Urteil im Überblick
Der 6. Zivilsenat des OLG Stuttgart änderte die Entscheidung ab: Die Beklagten müssen nur 4.160 Euro zahlen – davon 3.160 Euro Minderwert für das Fahrzeug und 1.000 Euro für eine fällige, aber nicht durchgeführte Inspektion. Im Übrigen wies das Gericht die Klage ab.
Zugleich machte das OLG deutlich, dass Leasinggeber bei der Geltendmachung eines Minderwertes sorgfältig differenzieren müssen:
-
Maßgeblich sei nicht die Summe der Reparaturkosten, sondern der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Rückgabewert und dem hypothetischen Wert eines gleich alten und gleich genutzten Fahrzeugs in üblichem Zustand.
-
Nur Mängel, die über normale Gebrauchsspuren hinausgehen, sind ersatzpflichtig.
-
Mängel, die Verkehrssicherheit oder Betriebssicherheit beeinträchtigen, sind stets zu berücksichtigen.
-
Zwischen Reparaturkosten und Marktwertverlust bestehe ein hinreichend enger Zusammenhang, um Reparaturkosten als Grundlage der Bewertung zu nutzen – allerdings nur mit wertmindernden Abschlägen.
Bedeutung der Entscheidung
Das Gericht bestätigte damit zwar grundsätzlich den Anspruch des Leasinggebers auf Ausgleich für Schäden, setzte ihm jedoch enge Grenzen bei der Berechnung. Die Reparaturkosten dürften nicht einfach aufaddiert werden; vielmehr sei eine realistische Wertminderung zu ermitteln, die sich aus statistischen Erfahrungswerten und typischen Abwertungskurven ableiten lasse. Besondere Mängel mit abweichendem Einfluss auf den Fahrzeugwert seien gesondert zu prüfen.
Hintergrund
Das OLG stützte sich auf ein umfangreiches Sachverständigengutachten, das unter anderem zeigte, dass sich der Wertverlust von Fahrzeugen regelmäßig in einem statistisch gesicherten Verhältnis zu den Reparaturkosten bewegt. Das Gericht folgte dieser Methode, betonte jedoch, dass nicht alle vom Leasinggeber geltend gemachten Schäden über übliche Abnutzung hinausgingen.
So bewertete der Sachverständige zum Beispiel Verformungen an Sitzbezügen als normale Gebrauchsspuren, die nicht ausgleichspflichtig seien. Andere Schäden hingegen – etwa Kratzer oder Dellen mit Einfluss auf den Wiederverkaufswert – wurden berücksichtigt.
Ergebnis und Kostenverteilung
Die Klägerin erhält 4.160 Euro zuzüglich Zinsen und 10 Euro Mahnkosten. Von den Kosten der ersten Instanz trägt sie 56 Prozent, die Beklagten als Gesamtschuldner 44 Prozent. Das Berufungsverfahren teilen sich beide Parteien nahezu hälftig.
Eine Revision ließ das OLG Stuttgart nicht zu, da die Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung habe.
Fazit:
Das Urteil schafft Rechtssicherheit im Leasingrecht: Leasinggeber müssen Minderwerte realistisch und nachvollziehbar berechnen. Wer einfach alle Kratzer summiert, riskiert, auf einem Teil seiner Forderung sitzenzubleiben. Oder, wie man es pointiert ausdrücken könnte: Nicht jeder Parkrempler ist gleich ein Fall fürs Gericht.
Kommentar hinterlassen