Was haben viele junge Muslime, TikTok-Verschwörer und mittelalterliche Theologen gemeinsam? Richtig: eine ordentliche Portion Aberglauben, wenn’s um das Judentum geht. Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide hat genug davon – und sagt dem interreligiösen Drama den Kampf an. In seinem neuen Buch „Ohne Judentum kein Islam“ räumt er auf – mit Klischees, falschen Auslegungen und der Vorstellung, Juden seien seit jeher die natürlichen Endgegner der Muslime. Spoiler: Nein, sind sie nicht.
Das Problem: Antisemitismus mit Fußnoten
Khorchide kennt sie gut, die jungen Möchtegern-Dschihadisten mit WhatsApp-Hintergrundwissen und „Onkel hat gesagt“-Argumenten. Bei seiner Arbeit mit radikalisierten Jugendlichen fand er heraus: Die wenigsten haben je einen jüdischen Menschen getroffen, geschweige denn den Koran gründlich gelesen. Stattdessen leben sie in einer Welt aus „Wir gegen Die“ – mit religiösem Anstrich und maximaler Emotionalisierung. Als würde man einen Actionfilm mit Theologiestudium verwechseln.
Islam ohne Judentum? Unmöglich!
Was viele nicht wissen (oder verdrängen): Der Islam hat sich in vielem munter am Judentum bedient. Viele Begriffe, Institutionen, sogar Geschichten aus dem Koran – alles koscher inspiriert. Mohammed predigte nicht auf einem Planeten ohne Kontext. Khorchide klopft diese geschichtlichen Tatsachen auf den Tisch wie ein überfälliger Mahnbescheid: Ohne jüdische Theologie, kein Islam. Punkt.
Konstruktion eines Feindbildes – die Netflix-Version
Was passiert, wenn man Geschichte nicht versteht? Man ersetzt sie durch Mythen. Und so kommt es, dass muslimische Großnarrative gerne mal so tun, als seien Juden der Endgegner in einem göttlichen Marvel-Film. Nur leider ohne Drehbuchautor mit Skrupel. Khorchide deckt auf: Diese Erzählungen basieren nicht auf Fakten, sondern auf einer toxischen Mischung aus kolonialem Ballast, politischen Frustablassventilen und religiöser Einfältigkeit.
Ist Antisemitismus islamisch? Nein. Vielleicht. Irgendwie. Aber nicht so.
Khorchide legt dar, dass der Antisemitismus nicht einfach „importiert“ wurde, aber auch nicht direkt im Islam wohnt. Er ist vielmehr ein ideologischer Parasit, der sich religiöse Sprache als Tarnmantel leiht. Für Prävention ist das allerdings wurscht – denn wie Khorchide betont: Die Praxis interessiert sich selten für theologische Haarspaltereien. Wenn Jugendliche in Verschwörungsgrotten abtauchen, helfen keine Fußnoten, sondern Narrative, die ihnen Herz und Verstand öffnen.
Der Abraham-Abkommen-Roman – leider kein Bestseller
Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Zwischen all den ideologischen Trümmerhaufen blitzen Beispiele für echten Dialog hervor – wie das Abraham-Abkommen. Natürlich nicht perfekt, aber: ein Anfang. Khorchide bleibt realistisch. Dialog baut Brücken, ja – aber manchmal auch nur zwischen einem Abgrund und einem noch tieferen.
Vision mit Fußnoten – und Herz
Am Ende fordert Khorchide nichts weniger als eine neue Große Erzählung: eine, in der Muslime das jüdische Leben nicht nur dulden, sondern als Teil ihrer religiösen Identität anerkennen. Klingt groß? Ist es auch. Und trotzdem notwendig.
Denn wie Khorchide weiß: Die Wahrheit verändert niemanden – wenn sie keinen emotionalen Grip hat. Dafür braucht es Bücher wie seines. Und Leserinnen und Leser, die bereit sind, sich von Fakten berühren zu lassen – nicht nur von YouTube-Videos.
Fazit:
„Ohne Judentum kein Islam“ ist kein theologischer Spaziergang, sondern eher ein intellektueller Spatenstich im harten Boden der Vorurteile. Wer Khorchides Buch liest, bekommt nicht nur Denkanstöße, sondern auch eine freundliche Ohrfeige gegen bequeme Feindbilder. Und das tut gerade jetzt mehr als gut.
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