Oberlandesgericht Celle in Sachen Porsche

Oberlandesgericht Celle

Beschluss

13 Kap 1/16
18 OH 2/16 Landgericht Hannover

In dem Kapitalanlegermusterverfahren

ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt) gegen Porsche Automobil Holding SE u. a.

hat der 1. Kartellsenat durch den Richter am Oberlandesgericht Spamer, den Richter am Oberlandesgericht Krackhardt und die Richterin am Oberlandesgericht Dencks am 16. März 2020 beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch der Musterklägerin und der Elliott-Beigeladenen vom 10. März 2020 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch der Musterklägerin und der Elliott-Beigeladenen hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO ist die Besorgnis der Befangenheit des Richters anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen (Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 42 Rn. 8). Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber (BGH NJW 2016, 1022, Rn. 9; NJW-RR 2013, 1211, Rn. 6; MDR 2012, 49, Rn. 5; NJW 2004, 163).

Nach diesen Maßstäben liegen bereits nach dem Vorbringen der Musterklägerin und der Elliott-Beigeladenen Ablehnungsgründe nicht vor. Es liegen keine Umstände vor, die den Anschein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit begründen. Die Musterklägerin und die Elliott-Beigeladene haben in ihrem Schriftsatz vom 10. März 2020 keinen schlüssigen Grund für die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese und des Richters am Oberlandesgericht Keppler dargetan. Ihr Vorbringen rechtfertigt es vom Standpunkt eines ruhig und vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten nicht, an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit beider Richter zu zweifeln.

a) Der Vorwurf der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf das anonyme Schreiben greift nicht durch. Eine Sachverhaltsaufklärung durch den abgelehnten Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese war nicht veranlasst.

Die Ausschließung und Ablehnung von Richtern ist in der Zivilprozessordnung abschließend geregelt (§§ 41 – 48). Wenn eine Partei meint, es liege ein Ablehnungs-grund vor, kann sie ein Ablehnungsgesuch – unter Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes gemäß § 44 Abs. 2 ZPO – stellen. Hingegen besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, dass das Gericht oder einzelne Mitglieder im Hinblick auf anonyme Vorwürfe von Amts wegen ohne ein entsprechendes Ablehnungsgesuch – gegen aktuelle oder ehemalige Mitglieder des Spruchkörpers – Ermittlungen durchführen. Außerhalb eines Ablehnungsgesuchs besteht auch kein Anspruch der Partei auf Abgabe dienstlicher Erklärungen. Diese sind dem Ablehnungsverfahren vorbehalten (§ 44 Abs. 3 ZPO).

In Anbetracht der Tatsache, dass die Musterklägerin und die Elliott-Beigeladene kein Ablehnungsgesuch gestellt hatten, war die Abgabe wie auch die Einholung irgendwelcher dienstlicher Erklärungen sowohl aktueller als auch ehemaliger Senatsmitglieder nicht erforderlich. Einer Reaktion des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese, insbesondere einer inhaltlichen Stellungnahme, auf die Schriftsätze vom 14. Februar 2020 und 28. Februar 2020, hätte es daher bereits nicht bedurft. Soweit den Schriftsätzen vom 14. und 28. Februar 2020 strafrechtliche Vorwürfe zu entnehmen sein sollten, wären dafür die Strafverfolgungsbehörden und nicht der betroffene Senat zuständig.

b) Wenn der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Wiese die Schriftsätze vom 14. und 28. Februar 2020 dennoch zum Anlass genommen hat, um im Sinne eines Entgegenkommens inhaltlich – kurz – Stellung zu nehmen, liegt darin keine Arroganz gegenüber Verfahrensbeteiligten und keine Abqualifizierung der Musterklägerin und der Elliott-Beigeladenen. Das Schreiben vom 28. Februar 2020 enthält im Wesentlichen die knappe Wiedergabe von Tatsachen ohne Bewertung. Der abschließende Satz „Bei ruhiger und vernünftiger Betrachtung dürfte für alle Verfahrensbeteiligten bereits aufgrund des Schreibens selbst nahe liegen, dass es sich um erfundene Vorwürfe handelt.“ stellt ersichtlich eine subjektive Bewertung dar, die im Hinblick auf Form und Inhalt des anonymen Schreibens jedenfalls nicht fernlag.

c) Dementsprechend fehlt es auch an einem schlüssigen Ablehnungsgrund im Hinblick auf den Richter am Oberlandesgericht Keppler.

2. Die Einholung dienstlicher Stellungnahmen der abgelehnten Richter nach § 44 Abs. 3 ZPO ist in Fällen unschlüssiger Befangenheitsgesuche entbehrlich (BGH, NJW-RR 2012, 61, Rn. 12; Stackmann in MüKo ZPO, 5. Auflage 2016, ZPO § 44 Rn. 10). Eines Beweises bestimmter Behauptungen bedarf es bei fehlender Schlüssigkeit nicht. Der Senat hat daher davon abgesehen, dienstliche Stellungnahmen des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese und des Richters am Oberlandesgericht Keppler einzuholen.

3. Eine Rechtsbeschwerde gegen die das Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung des Oberlandesgerichts im Kapitalanleger-Musterverfahren ist nicht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO durch Gesetz zugelassen (vgl. zum bis zum 31. Oktober 2012 gültigen, inhaltsgleichen § 15 KapMuG: BGH, Urteil vom 24. November 2008 – II ZB 4/08 -, ZIP 2009, 341, juris, Rn. 5 ff.). Gründe zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Ablehnungsverfahren für die Verfahrensbevollmächtigten zum Rechtszug gehört und gerichtliche Gebühren nicht entstanden sind.

 

 

Spamer                          Krackhardt                          Dencks

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