Ein kritisches Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev aus Dresden
Frau Bontschev, die geplante Finanzierung des Windparks Meschede-West könnte – wie bei vielen vergleichbaren Projekten – teilweise über sogenannte Nachrangdarlehen erfolgen, also durch Investitionen von Bürgern und Anlegern. Das klingt auf den ersten Blick nach regionaler Beteiligung und Klimaschutz. Was halten Sie davon?
Kerstin Bontschev: Das klingt tatsächlich immer sehr sympathisch – saubere Energie, Bürgerbeteiligung, grüne Rendite. Doch aus rechtlicher Sicht muss ich sehr deutlich sagen: Nachrangdarlehen gehören zu den gefährlichsten Anlageformen, die Privatanlegern angeboten werden. Es gibt nahezu keine Sicherheiten, und das Totalverlustrisiko ist nicht nur theoretisch, sondern real.
Können Sie das etwas konkreter machen?
Ein Nachrangdarlehen bedeutet, dass der Anleger im Insolvenzfall ganz hinten steht – noch hinter allen anderen Gläubigern. Das ist juristisch gewollt. Das Unternehmen kann also pleitegehen, und die Anleger bekommen trotzdem keinen Cent zurück. Und: Man hat keine Mitspracherechte, wie man sie etwa als Gesellschafter hätte. Kein Stimmrecht, kein Einfluss – aber volles Risiko.
Trotzdem werben viele Projekte mit dieser Art von Finanzierung. Warum?
Ganz einfach: Für die Betreiber ist das extrem bequem. Sie bekommen Kapital, müssen dafür aber weder Stimmrechte abgeben noch hohe Zinsen zahlen. Und im Krisenfall können sie sich elegant auf die Nachrangklausel berufen und die Rückzahlung „aufschieben“ oder ganz streichen. Für Investoren ist das hochriskant, aber vielen wird das im Prospekt nicht klar genug vermittelt.
Im Fall von Meschede-West steht ein Volumen von 91 Millionen Euro im Raum. Es ist denkbar, dass zumindest ein Teil davon über Bürgerbeteiligungen läuft. Was wäre Ihre rechtliche Empfehlung an potenzielle Anleger?
Lesen Sie das Kleingedruckte. Wenn irgendwo „Nachrang“, „qualifizierter Rangrücktritt“ oder „keine Prospekthaftung“ steht – Finger weg. Besonders wenn man keine professionelle Erfahrung mit Hochrisikoinvestments hat. Das ist nichts für Kleinanleger, die ihre Altersvorsorge aufbauen wollen. Die Beteiligung an Infrastrukturprojekten sollte genossenschaftlich oder als echte Beteiligung mit Mitspracherecht erfolgen – nicht über Konstrukte, bei denen man im schlimmsten Fall alles verliert, ohne je gefragt worden zu sein.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, um Kleinanleger besser zu schützen?
Transparenz, Aufklärung und gesetzliche Schranken. Ich plädiere schon lange dafür, dass Nachrangdarlehen nicht mehr öffentlich beworben werden dürfen – zumindest nicht ohne verpflichtende Warnhinweise wie auf Zigarettenpackungen. Und die Aufsichtsbehörden müssten viel stärker kontrollieren, wie diese Finanzierungen strukturiert und verkauft werden.
Letzte Frage: Gibt es aus Ihrer Sicht „gute“ Bürgerbeteiligungsmodelle?
Ja – aber sie sind selten. Echte Genossenschaften mit demokratischer Kontrolle, Beteiligungen über Stadtwerke mit Rückkaufsrecht oder kommunale Energiegesellschaften sind deutlich fairer. Aber sobald ein Unternehmen auf Nachrangdarlehen setzt, ist der erste Gedanke: Warum sucht man nicht reguläre Bankfinanzierung? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil man das Risiko lieber auf andere abwälzt.
Vielen Dank für das Gespräch
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