Nach monatelanger Flucht ist der mutmaßliche chinesische Drogenboss Zhi Dong Zhang, bekannt unter den Decknamen „Brother Wang“, „Pancho“ oder „HeHe“, gefasst und in einer international koordinierten Aktion an die Behörden in Mexiko und anschließend an die USA ausgeliefert worden.
Zhang gilt laut US-Justizministerium als einer der zentralen Akteure im weltweiten Fentanyl-Handel – einem synthetischen Opioid, das jährlich Tausende Todesopfer in Nordamerika fordert.
Kuba liefert den flüchtigen Kartell-Finanzier aus
Wie die kubanische Regierung in einer nächtlichen Erklärung am Donnerstag mitteilte, wurde der 46-jährige Chinese an Mexiko überstellt. Nur wenige Stunden später bestätigte Mexikos Sicherheitsminister Omar Harfuch dessen weiteren Transfer in die USA, wo Zhang sich wegen Drogen- und Geldwäschevorwürfen verantworten muss.
Damit endete eine der dreistesten Fluchten der letzten Jahre – eine, die von einem Loch in der Wand bis zu einer gescheiterten Einreise nach Russland führte.
Anklage: Verbindung zwischen chinesischen Chemiekonzernen und mexikanischen Kartellen
Zhi Dong Zhang soll laut US-Ermittlern ein zentrales Bindeglied zwischen chinesischen Chemieunternehmen und den mexikanischen Drogenkartellen gewesen sein.
Die Anklage wirft ihm vor, Vorfertigungsstoffe für Fentanyl an das Sinaloa-Kartell und das Jalisco New Generation Cartel (CJNG) geliefert und gleichzeitig Millionenbeträge aus dem Drogengeschäft gewaschen zu haben – teils über Kryptowährungen.
„Brother Wang war ein entscheidender Vermittler zwischen den Kartellen und chinesischen Herstellern“, erklärt der frühere DEA-Agent Mike Vigil.
„Er half, die chemischen Ausgangsstoffe für Fentanyl zu beschaffen und illegale Gewinne in digitale Währungen umzuwandeln.“
Im Falle einer Verurteilung droht Zhang das gleiche Schicksal wie den berüchtigten Drogenbossen Joaquín „El Chapo“ Guzmán und Ismael „El Mayo“ Zambada – lebenslange Haft in einem US-Hochsicherheitsgefängnis.
Von Hausarrest bis Jetflucht – eine spektakuläre Odyssee
Zhang war im Oktober 2024 in Mexiko-Stadt im Rahmen einer gemeinsamen Operation festgenommen worden. Nach kurzer Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis gewährte ihm ein Richter jedoch Hausarrest – eine Entscheidung, die Präsidentin Claudia Sheinbaum später als „skandalös“ bezeichnete.
Im Mai 2025 floh Zhang spektakulär aus seiner Wohnung – angeblich durch ein Loch in der Wand – und gelangte mithilfe eines Privatjets nach Kuba. Von dort aus versuchte er, nach Russland weiterzureisen, um sich in einem Land ohne Auslieferungsabkommen mit den USA in Sicherheit zu bringen.
Doch der Plan scheiterte: Russische Grenzbeamte erkannten die gefälschten Reisedokumente, verweigerten die Einreise und schickten ihn zurück nach Havanna.
Bei seiner Rückkehr nach Kuba wussten die Behörden inzwischen, wen sie vor sich hatten – und nahmen Zhang endgültig fest.
Monate der Vernehmung in Havanna
Nach Informationen aus Sicherheitskreisen soll Zhang in kubanischem Gewahrsam mehrere Monate lang verhört worden sein. Erst im Oktober 2025 entschieden die Behörden in Havanna, ihn nach Mexiko zu übergeben.
Mexikos Sicherheitsminister Harfuch dankte der kubanischen Regierung öffentlich für ihre Kooperation und betonte, die Rückführung habe verhindert, dass Mexiko „erneut international in Verlegenheit geraten“ sei – wie schon bei früheren Ausbrüchen hochrangiger Drogenbosse, darunter El Chapo Guzmán.
Politische Bedeutung: Erfolg für Mexiko und die USA
Die Festnahme gilt als diplomatischer und sicherheitspolitischer Erfolg sowohl für Mexiko als auch für die US-Regierung.
Präsidentin Claudia Sheinbaum hat in ihrer Amtszeit den Kampf gegen Fentanyl zu einer zentralen Priorität erklärt. Ihre Regierung hat die Zahl der Beschlagnahmungen deutlich erhöht und mehrere Kartellmitglieder, darunter bekannte Figuren wie Rafael Caro Quintero, in die USA ausgeliefert.
„Zhangs Auslieferung ist ein starkes Signal an Washington“, sagte Analyst Vigil. „Sie zeigt, dass Mexiko und die USA beim Thema Drogenbekämpfung enger kooperieren als je zuvor.“
Auch für Präsident Donald Trump, der die fentanylbezogene Krise in den USA als nationales Sicherheitsproblem bezeichnet, ist die Auslieferung ein politischer Erfolg.
Die Zusammenarbeit mit Mexiko hat bislang dazu beigetragen, dass Trump auf neue Strafzölle gegen das Nachbarland verzichtet hat – anders als gegenüber China oder der EU.
Begrenzte Auswirkungen auf den Drogenhandel
Trotz des hohen symbolischen Werts der Festnahme wird der Einfluss auf den globalen Drogenmarkt laut Experten gering bleiben.
„Zhang war schon seit über einem Jahr in Haft oder auf der Flucht“, erklärt Ex-DEA-Agent Vigil. „Die Kartelle haben längst andere Leute, die seine Aufgaben übernehmen. Selbst der Sturz von El Chapo hatte kaum messbare Auswirkungen auf den Drogenfluss.“
Die Fentanylproduktion in Mexiko bleibe hochprofitabel, und die Strukturen zur Geldwäsche und Chemikalienbeschaffung seien dezentralisiert und schwer zu zerschlagen.
Fazit
Mit der Festnahme und Auslieferung von „Brother Wang“ Zhi Dong Zhang ist den Sicherheitsbehörden in Kuba, Mexiko und den USA ein seltenes Beispiel internationaler Zusammenarbeit gelungen.
Doch Experten warnen: Solange der Nachschub an Vorläuferstoffen aus Asien anhält und die Nachfrage nach synthetischen Drogen in den USA hoch bleibt, wird der Kampf gegen den Fentanylhandel nicht durch die Festnahme eines Einzelnen gewonnen.
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