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Missbrauchsüberlebende stellen Frage nach Verantwortung von Papst Franziskus

qimono (CC0), Pixabay
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Während sich 133 Kardinäle in Rom versammeln, um den Nachfolger von Papst Franziskus zu wählen, wirft seine Amtszeit lange Schatten – insbesondere im Umgang mit sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche.

Zwar wird Franziskus vielfach zugeschrieben, weiter gegangen zu sein als seine Vorgänger, was die Anerkennung von Opfern und Reformen interner Verfahren betrifft – doch viele Überlebende sagen: Es war nicht genug.

„Es war für mich fast alltäglich“

Alexa MacPherson wurde ab dem dritten Lebensjahr über sechs Jahre hinweg von dem Priester Peter Kanchong sexuell missbraucht. Als ihr Vater sie mit neuneinhalb Jahren in flagranti mit dem Geistlichen auf dem Sofa erwischte, rief er die Polizei.

Für den 24. August 1984 wurde eine Gerichtsanhörung wegen Körperverletzung eines Minderjährigen anberaumt. Doch was die Familie damals nicht wusste: Die Kirche arbeitete im Hintergrund auf eine diskrete Lösung hin. In einem jahrelang geheim gehaltenen Brief schrieb der damalige Erzbischof von Boston, Bernard Law, dass das Gericht „versuche, die Angelegenheit so zu regeln, dass es Vater Peter helfe und einen Skandal für die Kirche vermeide“.

Verpasste Konsequenzen

Obwohl eine psychologische Einschätzung im Auftrag der Kirche Kanchong für therapieresistent erklärte, wurde er lediglich unter Auflagen auf Bewährung gesetzt. Statt ihn strafrechtlich zu verfolgen oder aus dem Kirchendienst zu entfernen, bat Law einen Bischof in Thailand, Kanchong zurückzuholen – aus Angst vor einem „schweren Skandal“. Doch Kanchong kehrte nicht zurück, sondern arbeitete weiterhin in Boston, unter anderem in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung.

Erst im Jahr 2002 wurde der Brief veröffentlicht – als Teil einer gerichtlichen Anordnung, durch die Tausende Seiten interner Kirchenunterlagen offengelegt werden mussten. Es war ein Wendepunkt. Die Enthüllungen führten zu über 500 Klagen, die mit einer Vergleichssumme von 85 Millionen US-Dollar endeten.

Ein Gefühl der Straflosigkeit

Erzbischof Law trat zurück und wurde vom Vatikan nach Rom versetzt. Dort erhielt er einen prestigeträchtigen Posten in der Basilika Santa Maria Maggiore – dem Ort, an dem auch Papst Franziskus nun beigesetzt wurde.

Für viele Missbrauchsüberlebende war das ein weiterer Beleg für die Straffreiheit innerhalb der Kirche. Auch wenn Franziskus Reformen anstieß – wie die Aufhebung des sogenannten „päpstlichen Geheimnisses“ in bestimmten Fällen oder die Verpflichtung zur internen Meldung von Missbrauch – bleibt eine grundlegende Pflicht zur Anzeige bei zivilen Behörden bis heute aus.

„Es reicht nicht“

Alexa MacPherson und ihr Anwalt, der prominente Jurist Mitchell Garabedian, werfen der Kirche vor, weiterhin mit Intransparenz zu arbeiten. „Wir müssen immer noch vor Gericht kämpfen, um Unterlagen zu erhalten“, sagt Garabedian.

MacPherson fordert, dass endlich alle Informationen offengelegt und Täter wie auch deren Unterstützer zur Rechenschaft gezogen werden – nicht vor kirchlichen, sondern vor weltlichen Gerichten.

Kanchong weiterhin nicht belangt

Peter Kanchong, heute 85 Jahre alt, wurde bis heute nicht strafrechtlich verurteilt. Er wurde auch nicht aus dem Priesteramt entlassen – lediglich die Ausübung kirchlicher Funktionen im Erzbistum Boston wurde ihm untersagt. Offiziell führt die Kirche seinen Fall als „nicht abgeschlossen“. Er gilt als „AWOL“ – abwesend ohne Erlaubnis.

Alexa MacPherson versucht seit Jahren, seine Entlassung aus dem Klerikerstand zu erwirken – entweder durch die vatikanische Autorität oder durch das Bistum in Thailand, wo Kanchong geweiht wurde.

„Ohne echte Aufarbeitung keine Zukunft“

Die BBC bat das Erzbistum Boston um eine Stellungnahme zur Rolle von Papst Franziskus und zur Kritik an der kirchlichen Geheimhaltungskultur – eine Antwort blieb aus. Auf die Frage, ob der aktuelle Erzbischof MacPhersons Anliegen unterstützen könne, verwies das Bistum auf den Vatikan.

Angesichts der aktuellen Papstwahl hat MacPherson wenig Hoffnung auf einen echten Neuanfang. „Man kann nicht glaubwürdig nach vorne schauen, wenn man die Vergangenheit nicht vollständig aufarbeitet und Verantwortliche zur Rechenschaft zieht“, sagt sie.

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