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„Mischfinanzierungen reichen aus – ein Meilenstein im Kampf gegen Geldwäsche“

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum BGH-Beschluss zur Einziehung von Immobilien bei gemischter Finanzierung

Redaktion: Herr Blazek, der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich klargestellt, dass bereits eine Mischfinanzierung mit illegalen Mitteln genügt, um Vermögenswerte wie Immobilien einzuziehen. Was bedeutet dieser Beschluss rechtlich?

Blazek: Der Beschluss des 5. Strafsenats ist von großer Bedeutung – nicht nur für die Strafverfolgung, sondern auch für die Rechtsdogmatik. Der BGH hat betont, dass es für die Einziehung nicht erforderlich ist, dass ein Vermögensgegenstand ausschließlich mit illegalen Mitteln finanziert wurde. Es genügt, wenn ein nicht unerheblicher Anteil aus rechtswidriger Herkunft stammt. Damit öffnet sich der Blick für realitätsnahe Finanzierungsmodelle, wie sie im Bereich der organisierten Kriminalität häufig anzutreffen sind.

Redaktion: Das Landgericht Berlin hatte die Einziehung abgelehnt, weil es eine legale Finanzierung aus Vermietungserlösen im Libanon für möglich hielt. Warum war das dem BGH zu wenig?

Blazek: Das Landgericht hat den Fehler gemacht, eine Art „Reinheitsgebot“ anzulegen – es ging davon aus, dass nur eine vollständige deliktische Finanzierung zur Einziehung berechtigt. Der BGH stellt klar: Entscheidend ist eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung. Selbst wenn legale Mittel verwendet wurden, kann der rechtswidrige Teil ausreichen, um das „Herrühren“ im Sinne des § 76a StGB zu bejahen.

Redaktion: Der Fall betrifft ein Mitglied der bekannten Remmo-Familie. Sehen Sie hier eine Signalwirkung für die Bekämpfung von Clankriminalität?

Blazek: Absolut. Der BGH stärkt die Möglichkeiten der Strafverfolgung gerade dort, wo stark verschachtelte Besitzverhältnisse, Strohpersonen und grenzüberschreitende Geldflüsse eine direkte Nachweisführung erschweren. Die Entscheidung macht klar: Auch „Schönrechnungen“ mit sauberen Anteilen schützen nicht vor der Einziehung, wenn die Herkunft des Gesamtvermögens zweifelhaft ist.

Redaktion: Auch die Einziehung von Inhabergrundschulden, Mieten oder Bankguthaben wurde thematisiert. Was ist hier neu?

Blazek: Der BGH weitet den Blick: Auch Surrogate – also wirtschaftlich ersetzende Werte wie Mieteinnahmen oder Grundschulden – können eingezogen werden, wenn sie aus belasteten Vermögenswerten stammen. Das betrifft insbesondere Immobilien, die zwar verkauft oder vermietet wurden, aber ursprünglich mit illegalen Mitteln erworben wurden. Der Gesetzgeber hat diesen Gedanken mit der Reform 2021 aufgegriffen, aber der BGH macht klar: Schon vorher galt diese Rechtslage im Kern.

Redaktion: Es gab verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einziehung ohne nachweisbare konkrete Straftat. Wie beurteilen Sie das?

Blazek: Die verfassungsrechtliche Diskussion dreht sich vor allem um das Rückwirkungsverbot. Der BGH und das Bundesverfassungsgericht haben jedoch entschieden, dass die Einziehung keine Strafe im klassischen Sinn, sondern eine ordnungspolitische Maßnahme zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände ist. Damit ist auch eine Rückwirkung zulässig – ein klarer Paradigmenwechsel, der vor allem auf organisierte Kriminalität zielt.

Redaktion: Was erwarten Sie vom neuen Gesetzentwurf des Justizministeriums zur Einrichtung von Einziehungszentralstellen?

Blazek: Das ist ein logischer nächster Schritt. Die Zentralisierung der Vermögensabschöpfung und -verwaltung wird die Effizienz der grenzüberschreitenden Strafverfolgung erheblich verbessern. Gerade bei komplexen internationalen Strukturen braucht es spezialisierte Stellen, die Vermögenswerte nicht nur auffinden, sondern auch langfristig sichern und verwalten können. Das ist eine klare Anpassung an die Realität organisierter Geldflüsse in Europa.

Redaktion: Was bedeutet das Urteil für künftige Einziehungsverfahren?

Blazek: Es wird deutlich mehr Einziehungsentscheidungen geben, gerade bei Immobilien. Die Schwelle ist niedriger geworden. Für Verteidiger bedeutet das, dass die Auseinandersetzung mit der Herkunft jedes einzelnen Euro wichtiger wird – und dass die Beweisführung künftig häufiger die Gesamtschau statt der Einzeltransaktion in den Blick nehmen muss.

Redaktion: Herr Blazek, vielen Dank für das Gespräch.

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