„Wirf dein jetziges Leben über Bord!“ – mit diesem Slogan warb das Unternehmen Victoria Cruises Line (VCL) für die „weltweit erste bezahlbare Wohnkreuzfahrt“. Drei Jahre lang, zu 115 Ländern, mit eigener Kabine – und das für rund 3.840 US-Dollar im Monat. Ein Traum vom Leben auf See, der nun für viele in einem finanziellen Albtraum endet.
Denn: Das Schiff existiert nicht.
Der Traum vom Leben auf See
Für das australische Ehepaar Dennis und Taryna Wawn klang das Angebot wie die perfekte Altersvorsorge. Über Facebook stießen sie 2022 auf die Anzeige, überprüften nach eigenen Angaben die Webseite und führten Gespräche mit VCL-Mitarbeitern. „Alles schien seriös“, sagt Taryna. Sie überwiesen 10.000 US-Dollar Anzahlung – der Startschuss für ein Leben an Bord.
Doch das Schiff, auf dem sie wohnen wollten, hat nie abgelegt.
VCL ohne Schiff, aber mit neuen Werbeversprechen
VCL versprach luxuriöse Kreuzfahrten auf einem umgebauten Ozeandampfer mit Pools, Restaurants und Platz für 1.350 Passagiere. In der Werbung war von der „Majestic“ die Rede – ehemals Holland America Veendam.
Doch laut Recherchen der BBC besitzt VCL kein Schiff und hat nie eines gechartert. Die tatsächlichen Eigentümer der „Majestic“ dementierten jede Verbindung.
Trotzdem wirbt VCL weiter im Internet – und sammelt weiterhin Zahlungen ein. Das Unternehmen erklärt, es brauche erst eine Auslastung von 80 Prozent, um ein Schiff zu mieten.
„Wenn wir zu früh ein Schiff gechartert hätten, wären uns 18 Millionen US-Dollar Kosten entstanden – ohne Einnahmen“, so die VCL-Leitung in einer E-Mail an die BBC.
Aus Träumen werden Klagen
Dutzende Betroffene berichten, dass sie ihre Häuser verkauft, Haustiere abgegeben oder ihr Leben aufgegeben haben, um an Bord zu gehen. Eine Frau ließ sogar ihren alten Hund einschläfern, weil sie glaubte, jahrelang fort zu sein.
Viele fordern nun ihr Geld zurück – bislang vergeblich. Einige haben Klagen eingereicht, andere Verbraucherschutzbehörden oder gar das FBI eingeschaltet.
VCL lehnt Rückzahlungen weitgehend ab: Nur 132 Kunden hätten gekündigt, hieß es, und 38 Beschwerden seien geprüft, aber „nicht gerechtfertigt“. Man verweigere Rückzahlungen wegen „fehlender Unterlagen“, „Bankfehlern“ oder „Geldwäscheprüfungen“.
Aggressive Drohungen statt Lösungen
Ehemalige Kunden berichten von Droh-E-Mails und Einschüchterungen, nachdem sie sich öffentlich beschwert hatten.
„Wer seine Beschwerde in sozialen Medien austrägt, muss mit rechtlichen Schritten rechnen“, bestätigte VCL gegenüber der BBC.
Laut dem australischen Verbraucherschützer Adam Glezer hat das Unternehmen „Millionen eingesammelt“ und die Kunden „mit falschen Versprechungen geködert“.
Undurchsichtige Firmenstruktur
Recherchen ergaben ein Netzwerk von Briefkastenfirmen in Budapest, geführt von Viktória Takács-Ollram und ihrer Familie. VCL wurde 2017 ursprünglich als Steuer- und Buchhaltungsfirma gegründet, erst 2022 in ein „See-Transport-Unternehmen“ umbenannt.
In Italien ist die Firma als Lebensmittelgroßhändler registriert – kein Hinweis auf Kreuzfahrtaktivitäten. Steuerunterlagen weisen über 250.000 US-Dollar Steuerschulden aus.
Ermittlungen in den USA
Auch die Behörden in Utah untersuchten VCL. Ergebnis:
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Kein Hafenplatz gebucht,
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angebliche Mitarbeiter auf der Webseite hatten nie Arbeitsverträge,
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die US-Vertreterin, die das Angebot bewarb, wurde mit einem Werbeverbot belegt.
Meta lässt Werbung weiterlaufen
Trotz der Vorwürfe wirbt VCL weiter auf Facebook und Instagram – mit Stockfotos angeblicher Passagiere und Crewmitglieder. Beschwerden über betrügerische Anzeigen wurden von Meta abgewiesen: Man habe „keinen Verstoß gegen die Werberichtlinien“ festgestellt.
Glezer nennt das „skandalös“:
„Dass Meta solche Anzeigen weiter zulässt, obwohl es Beweise für Irreführung gibt, ist schlicht verantwortungslos.“
Ein gebrochener Traum
VCL bestreitet jede Täuschung: „Wir sind kein Phantom-Unternehmen. Wir haben auf jede E-Mail geantwortet“, heißt es.
Doch für Dennis und Taryna Wawn ist der Traum ausgeträumt.
„Wir wollten ein schönes Abenteuer im Ruhestand. Stattdessen hat uns das seelisch und finanziell zerstört“, sagt Taryna.
Fazit:
Victoria Cruises Line versprach ein Leben im Luxus – und hinterließ stattdessen einen Strudel aus leeren Versprechen, rechtlichen Tricks und menschlichen Tragödien. Der Fall zeigt einmal mehr, wie gefährlich es ist, auf glänzende Online-Versprechen ohne greifbare Substanz hereinzufallen – selbst, wenn sie so verlockend klingen wie ein Leben auf hoher See.
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