Im Streit um die Ausgestaltung eines neuen Wehrdienstes haben sich die Regierungsfraktionen von Union und SPD offenbar auf einen entscheidenden Kompromiss geeinigt. Nach Informationen aus Koalitionskreisen soll künftig ein Losverfahren darüber entscheiden, wer überhaupt zur Musterung eingeladen wird – und im Fall zu weniger Freiwilliger auch zum Dienst antreten muss.
Demnach sollen alle jungen Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst-Fragebogen ausfüllen, in ein Auswahlverfahren einbezogen werden. Ein Teil von ihnen würde anschließend per Zufall ausgelost und gemustert. Erst danach soll entschieden werden, ob sie tatsächlich eingezogen werden – zunächst für einen mindestens sechsmonatigen Grundwehrdienst.
Mit dieser Lösung will die Koalition zwei zentrale Ziele erreichen: einerseits den Verwaltungsaufwand verringern, andererseits Kritik an einer fehlenden Wehrgerechtigkeit vorbeugen. Das Losverfahren soll sicherstellen, dass alle potenziellen Wehrpflichtigen die gleiche Chance – oder Verpflichtung – haben, herangezogen zu werden.
Das Modell orientiert sich an Dänemark, wo die Wehrpflicht formal für alle gilt, tatsächlich aber nur ein kleiner Teil der Jahrgänge ausgelost und eingezogen wird. Dort erfüllt etwa ein Fünftel eines Jahrgangs den Militärdienst.
Verteidigungsminister Boris Pistorius soll nun festlegen, wie viele Wehrpflichtige die Bundeswehr in welchem Zeitraum tatsächlich benötigt. Diese Zahlen dienen als Grundlage, um festzulegen, wann und in welchem Umfang das Losverfahren aktiviert werden muss.
Der vom Kabinett bereits gebilligte Gesetzentwurf sieht bisher nur vor, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages Wehrpflichtige einziehen kann, wenn „die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs zwingend erfordert“. Union und CSU war diese Formulierung zu vage – sie drängen seit Monaten auf eine feste gesetzliche Verankerung eines Pflichtmechanismus.
Die Fraktionen wollen den Kompromiss am Dienstag intern beraten und am Mittwoch öffentlich vorstellen. Bereits am Donnerstag ist die erste Lesung im Bundestag geplant. Offen bleibt, ob Pistorius die Anpassungen akzeptiert: Nach Informationen aus Regierungskreisen hält er seinen bisherigen Entwurf für ausreichend und nicht korrekturbedürftig.
Mit dem geplanten Losverfahren will die Koalition nun einen Mittelweg zwischen Freiwilligkeit und Pflicht schaffen – und zugleich ein Modell erproben, das Wehrdienst gerechter und flexibler machen soll.
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