Kanadas Premierminister Justin Trudeau steht unter enormem Druck: Die USA drohen mit drastischen Importzöllen auf kanadische Waren. Während Trudeau zunächst eine harte Reaktion in Aussicht stellte, setzt er nun auf diplomatische Annäherung, um eine Eskalation zu vermeiden.
In einem neuen Tonfall versprach Trudeau, Donald Trumps Vision eines „goldenen Zeitalters“ für Amerika zu unterstützen. Er betonte: „Kanada ist ein sicherer, verlässlicher Partner in einer unsicheren Welt. Die Alternative wären mehr Ressourcen aus Russland, China oder Venezuela.“ Damit rückt Kanada gezielt Amerikas wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen in den Vordergrund – eine Strategie, um die angedrohten 25 % Importzölle auf kanadische Produkte abzuwenden.
Droht ein Handelskrieg?
Kanada hatte sich wochenlang auf eine mögliche Vergeltungsstrategie vorbereitet. Geplant waren unter anderem Zölle auf US-Produkte wie Florida-Orangensaft oder ein „Dollar-für-Dollar“-Vergeltungszoll, ähnlich wie bei Trumps ersten Strafzöllen auf kanadischen Stahl und Aluminium. Doch diesmal ist die Lage unklarer: Trumps Ziele und Zeitpläne sind schwer zu durchschauen.
Noch am Montag schien Kanada aufatmen zu können – Trump erwähnte das Land nicht in seiner Antrittsrede. Doch die Erleichterung hielt nur kurz: Am selben Abend deutete er an, bereits ab dem 1. Februar hohe Zölle auf Kanada und Mexiko zu verhängen.
Trudeau steht nun vor einer schwierigen Entscheidung: Aggressive Gegenmaßnahmen oder Beschwichtigung?
Uneinigkeit innerhalb Kanadas
Innerhalb Kanadas gibt es keinen Konsens über die richtige Vorgehensweise. Während Trudeau alle Optionen – inklusive eines Exportstopps für Energie – offenhält, lehnt Albertas Premierministerin Danielle Smith solche Maßnahmen strikt ab. Alberta ist die wichtigste kanadische Öl-Provinz und sieht in Energie-Embargos eine wirtschaftliche Gefahr.
Sowohl Trudeau als auch Smith reisten persönlich nach Florida, um Trump direkt zu beeinflussen. Trotzdem zeigt sich Trudeau zunehmend frustriert: „Wir waren schon einmal in dieser Situation“, sagte er am Dienstag. „Auch in Trumps erster Amtszeit gab es Unsicherheiten und Instabilität – wir haben es damals konstruktiv gelöst.“
Kanadas Botschafterin in Washington, Kirsten Hillman, gibt sich optimistisch: „Wir führen nun konkrete Gespräche statt abstrakter Diskussionen.“ Damit bezieht sie sich auf die „America First“-Handelsprüfung, die Trump am Montag in Auftrag gegeben hat.
Zu den führenden Köpfen dieser Prüfung gehören Scott Bessent (Finanzminister), Howard Lutnick (Handelsminister) und Jamieson Greer (US-Handelsbeauftragter) – alle müssen noch vom Senat bestätigt werden.
Kanada in einer schwachen Verhandlungsposition
Kanada ist stark vom US-Markt abhängig: Rund 75 % der kanadischen Exporte gehen in die USA, während nur 17 % der US-Exporte nach Kanada gehen. Das verschafft den USA eine stärkere Verhandlungsposition.
Experte Theo Argitis vom Compass Rose Group Beratungsunternehmen warnt: „Die USA können sich einen langen Handelskrieg leisten – Kanada nicht.“
Trump nutzt Unsicherheit als Verhandlungstaktik, erklärt Argitis weiter. „Wenn er uns Angst macht, glaubt er, dass wir eher nachgeben. Er könnte damit Recht haben.“
Handelsstreit als Teil von Trumps größerer Strategie
Die drohenden Zölle sind Teil von Trumps umfassenderen Wirtschaftspolitik. Der Präsident beschreibt sich selbst als „Tariff Man“ und hat bereits Zölle auf chinesische, europäische und russische Exporte angedroht.
Zudem plant die Trump-Regierung eine „Externe Steuerbehörde“, die Einnahmen aus Handelszöllen verwalten soll. Gleichzeitig wird das USMCA-Freihandelsabkommen (ehemals NAFTA) zwischen Kanada, den USA und Mexiko überprüft – Trump möchte die Neuverhandlungen vorzeitig beginnen.
Kanadas Optionen sind begrenzt
Wirtschaftsanalysen zufolge könnte das kanadische BIP um bis zu 5,6 % sinken, falls flächendeckende US-Zölle von 25 % verhängt werden.
Da ein Handelskrieg verheerende Folgen hätte, konzentriert sich Kanada nun darauf, die Zölle ganz zu vermeiden – mit Angeboten für eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Sicherheit.
Kanada erwägt zudem eine wirtschaftliche Diversifizierung, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Doch bisher war das wenig erfolgreich: Die geografische und kulturelle Nähe zu den USA macht es schwer, alternative Märkte zu erschließen.
Experte Argitis zieht daher ein klares Fazit: „Kanada hat nur eine realistische Option: Einen Handelskrieg um jeden Preis vermeiden.“
Die Entscheidung liegt letztendlich bei Donald Trump.
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