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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime zur BaFin-Anordnung gegen Flattich Finanz AG: „Betroffene Anleger sollten jetzt schnell handeln“

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Redaktion: Herr Reime, die BaFin hat am 2. Juni 2025 der Flattich Finanz AG aus der Schweiz per Bescheid untersagt, in Deutschland weiterhin unerlaubte Anlagevermittlung und Anlageberatung zu betreiben. Was bedeutet das konkret?

Rechtsanwalt Jens Reime: Die BaFin hat festgestellt, dass die Flattich Finanz AG ohne die erforderliche Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz in Deutschland tätig war – also illegal Finanzdienstleistungen angeboten hat. Das betrifft insbesondere die Vermittlung und Beratung von Kapitalanlagen über die Website flattich-finanz.de. Diese Anordnung ist sofort vollziehbar – die Gesellschaft darf ab sofort nicht mehr auftreten, auch wenn das Verfahren formal noch nicht abgeschlossen ist.

Redaktion: Was raten Sie Anlegern, die bereits Geld über die Flattich Finanz AG investiert haben?

Reime: Zunächst: Ruhe bewahren, aber nicht zögern. Wenn Anleger über diese Plattform Gelder angelegt haben, besteht das Risiko, dass es sich um ein betrügerisches oder zumindest unerlaubtes Angebot handelt. Ich empfehle, sämtliche Unterlagen zusammenzustellen – Kontoauszüge, E-Mails, Verträge, Screenshots der Website – und dann rechtlich prüfen zu lassen, ob Rückforderungsansprüche bestehen. Es ist außerdem sinnvoll, Strafanzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft zu stellen.

Redaktion: Welche rechtlichen Optionen haben betroffene Anleger konkret?

Reime: In vielen Fällen können Anleger zivilrechtlich gegen Vermittler oder Hintermänner vorgehen – insbesondere, wenn sie getäuscht wurden oder die Geschäftstätigkeit gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Darüber hinaus kommt auch eine sogenannte deliktische Haftung in Betracht. Sollte das Geld über ein Treuhandkonto oder Zahlungsdienstleister geflossen sein, gibt es eventuell Möglichkeiten, Transaktionen rückabzuwickeln – insbesondere bei schnellen Reaktionen. Auch die BaFin kann bei der Aufklärung unterstützen, allerdings nicht im Einzelfall Schadensersatz leisten.

Redaktion: Die Website war ja öffentlich zugänglich – hätte man das als Anleger erkennen können?

Reime: Auf den ersten Blick meist nicht. Diese Plattformen wirken professionell, verwenden deutsche Sprache, Impressen, angebliche Referenzen und teils sogar fingierte Lizenznummern. Verbraucher können oft nicht beurteilen, ob es sich um ein lizenziertes Unternehmen handelt oder nicht. Deswegen ist es wichtig, vor einer Geldanlage die BaFin-Unternehmensdatenbank zu prüfen. Wenn ein Anbieter dort nicht gelistet ist: Finger weg.

Redaktion: Gibt es Anzeichen, dass es sich bei Flattich Finanz AG um Betrug handelt?

Reime: Die BaFin spricht zwar nicht explizit von Betrug, aber wenn ein Unternehmen ohne Lizenz Finanzdienstleistungen anbietet, ist das per se ein schwerwiegender Verstoß. In vielen Fällen handelt es sich um sogenannte „Cold Calls“ oder Online-Fallen, bei denen Anleger mit unrealistischen Versprechen gelockt werden. In meiner Kanzlei habe ich schon zahlreiche Mandanten vertreten, die ähnliche Angebote genutzt haben und am Ende erhebliche Verluste erlitten.

Redaktion: Welche ersten Schritte empfehlen Sie Anlegern jetzt?

Reime:

  1. Sofortiger Kontaktabbruch: Keine weiteren Zahlungen tätigen, keine Dokumente mehr hochladen.

  2. Beweise sichern: Alle E-Mails, Verträge, Screenshots und Bankbelege sichern.

  3. Rechtliche Beratung einholen: Am besten bei einem Anwalt mit Erfahrung im Kapitalanlagerecht.

  4. Strafanzeige stellen: Verdachtsmomente gehören umgehend an die Ermittlungsbehörden.

  5. BaFin informieren: Auch wenn sie nicht für Einzelfälle zuständig ist, hilft die Meldung anderen Verbrauchern.

Redaktion: Wie groß ist die Chance, verlorenes Geld zurückzuerhalten?

Reime: Das hängt vom Einzelfall ab. Wenn noch Guthaben auf Konten liegt oder es Rückführungsmöglichkeiten über Banken oder Zahlungsdienstleister gibt, stehen die Chancen nicht schlecht. Je länger jedoch gewartet wird, desto geringer sind die Erfolgsaussichten. Wichtig ist, dass betroffene Anleger sich nicht schämen – solche Plattformen sind hochprofessionell gemacht und täuschen auch erfahrene Menschen.

Redaktion: Vielen Dank für das Interview, Herr Reime.

Reime: Ich danke Ihnen. Anleger sollten sich frühzeitig informieren und ihre Rechte konsequent wahrnehmen.

Hinweis der Redaktion: Betroffene Anleger können prüfen, ob ein Unternehmen bei der BaFin registriert ist – unter: https://portal.mvp.bafin.de/database/InstInfo/. Wer unsicher ist, sollte vor der Geldanlage einen unabhängigen Rechtsberater konsultieren.

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