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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: Was bedeuten die Aussagen von Dr. Eckert für das Verfahren?

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Redaktion: Herr Reime, der vorläufige Insolvenzverwalter der DEGAG, Dr. Rainer Eckert, hat in einem exklusiven Interview mit dem MDR Sachsen-Anhalt auf erhebliche Missstände bei der DEGAG hingewiesen. Was bedeuten seine Aussagen für das weitere Verfahren?

Jens Reime: Die Aussagen von Dr. Eckert sind durchaus brisant und werfen ein Licht auf die prekäre finanzielle und strukturelle Lage der DEGAG. Wenn sich bestätigt, dass die DEGAG die von den Anlegern eingesammelten Gelder nicht wie versprochen zur Sanierung und rentablen Vermietung der Immobilien verwendet hat, könnte das erhebliche rechtliche Konsequenzen haben – sowohl für die Unternehmensführung als auch für die beteiligten Vertriebsstrukturen.

Redaktion: Dr. Eckert sprach von rund 280 Millionen Euro, die von etwa 9.600 Anlegerinnen und Anlegern eingesammelt wurden, ohne dass eine vollständige Sanierung auch nur eines Gebäudes erfolgt ist. Welche rechtlichen Schritte sind hier denkbar?

Jens Reime: Wenn die Anlegergelder tatsächlich nicht zweckentsprechend verwendet wurden, könnte dies auf einen möglichen Anlagebetrug hinweisen. Anleger wurden offenbar mit dem Versprechen geworben, dass die Immobilien modernisiert und rentabel vermietet werden würden. Wenn sich herausstellt, dass dies bewusst nicht eingehalten wurde, könnte der Insolvenzverwalter Ansprüche auf Schadenersatz gegen die verantwortlichen Personen geltend machen. Zudem könnte das Ganze auch strafrechtlich relevant werden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des gewerbsmäßigen Betrugs nach § 263 StGB.

Redaktion: Dr. Eckert bezeichnete den Zustand der Immobilien als „sehr prekär“. In Halle stehen von 1.219 Wohnungen fast 1.000 leer. Was bedeutet das für die Gläubiger?

Jens Reime: Das ist tatsächlich alarmierend. Die Leerstandsquote ist extrem hoch, und die Einnahmen reichen nicht einmal zur Bewirtschaftung aus. Für die Gläubiger bedeutet das, dass die Verwertung dieser Immobilien vermutlich wenig einbringen wird. Wenn die Immobilien aufgrund mangelnder Instandhaltung und Sanierung faktisch wertlos oder zumindest stark entwertet sind, bleibt am Ende möglicherweise nichts übrig, was an die Anleger ausgezahlt werden könnte. Die Banken als vorrangige Gläubiger dürften einen Großteil der Verwertungserlöse erhalten, sofern überhaupt nennenswerte Summen erzielt werden können.

Redaktion: Was sind die nächsten Schritte im vorläufigen Insolvenzverfahren?

Jens Reime: Zunächst wird Dr. Eckert weiter prüfen, ob überhaupt genug Insolvenzmasse vorhanden ist, um ein ordentliches Verfahren einzuleiten. Das hängt vor allem davon ab, ob die Immobilien noch einen verwertbaren Wert darstellen und ob mögliche Rückforderungen gegen Begünstigte Aussicht auf Erfolg haben. Sollte das Verfahren eröffnet werden, wird der Insolvenzverwalter sämtliche finanziellen Transaktionen der letzten Jahre durchleuchten und prüfen, ob Gelder unrechtmäßig geflossen sind.

Redaktion: Dr. Eckert spricht von einer fehlenden Liquidität aufgrund zu niedriger Mieteinnahmen. Was könnte dies für die Mieter bedeuten?

Jens Reime: Die Mieter selbst sind vorerst geschützt, da ein Insolvenzverfahren nicht unmittelbar zur Kündigung von Mietverhältnissen führt. Allerdings könnten Probleme bei der Instandhaltung und bei notwendigen Reparaturen bestehen bleiben, da die finanzielle Lage des Unternehmens äußerst angespannt ist. Langfristig könnte es auch zu Verkäufen der Objekte kommen, wobei unklar ist, wie neue Eigentümer mit bestehenden Mietverträgen umgehen werden.

Redaktion: Was raten Sie betroffenen Anlegern in dieser Situation?

Jens Reime: Ich empfehle Anlegern dringend, im Falle der Eröffnung ihre Forderungen in der richtigen Höhe mit der richtigen Begründung bei der richtigen Gesellschaft anmelden zu lassen. Zudem ist es sinnvoll, sich mit anderen Betroffenen in Interessengemeinschaften zu organisieren, um gemeinsam rechtliche Schritte zu prüfen. Es könnte hilfreich sein, Schadensersatzansprüche frühzeitig zu sichern, insbesondere wenn sich der Verdacht auf ein Schneeballsystem erhärtet.

Redaktion: Abschließend: Was wäre aus Ihrer Sicht das Worst-Case-Szenario?

Jens Reime: Das schlimmste Szenario wäre, dass sich die Vorwürfe bewahrheiten und die DEGAG tatsächlich als Schneeballsystem einzustufen ist. In diesem Fall müssten alle von Anlegern eingezahlten Gelder vollständig zurückgefordert werden, was jedoch schwierig werden dürfte, wenn diese Gelder bereits ausgegeben wurden. Die Anleger könnten also einen Totalverlust erleiden. Zudem stünden strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen im Raum.

Redaktion: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre Einschätzung!

Fazit:
Das Interview verdeutlicht die prekäre Lage der DEGAG und die potenziell weitreichenden Konsequenzen für Anleger und Vertrieb. Rechtsanwalt Jens Reime rät zur schnellen Reaktion und rechtlichen Beratung, um mögliche Verluste zumindest teilweise abzufedern.

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Die Aussagen von Dr. Eckert im MDR Bericht

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