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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime (Bautzen) zur „Operation Herakles“

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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„Ein wichtiger Schlag gegen den digitalen Betrugsmarkt – aber noch lange kein Ende der Bedrohung“

Herr Reime, die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg und die BaFin haben im Rahmen der „Operation Herakles“ über 3.500 Rufnummern abgeschaltet, die mutmaßlich von Betrügern genutzt wurden. Wie bewerten Sie diesen Einsatz?

Jens Reime:
Das ist zweifellos ein bemerkenswerter und dringend notwendiger Schlag gegen organisierte Cyberkriminalität. Die Masse der abgeschalteten Nummern zeigt, wie professionell und arbeitsteilig diese Tätergruppen inzwischen vorgehen – oft gut organisiert, international vernetzt und technisch äußerst versiert. Die Behörden setzen mit der Operation Herakles ein starkes Signal: Wir lassen diese kriminellen Strukturen nicht unbehelligt agieren.

Was genau bedeutet es für die Täter, wenn ihnen Rufnummern entzogen werden?

Reime:
Diese Rufnummern sind ein zentrales Werkzeug der Täuschung. Die Täter brauchen sie, um glaubwürdig als vermeintliche Bankberater, Polizisten oder Anlageexperten aufzutreten. Wird diese Infrastruktur gestört, werden ihre betrügerischen Methoden erheblich erschwert. Und: Die Abschaltung von über 3.500 Nummern ist nicht nur symbolisch, sondern kann potenziell tausende Betrugsversuche verhindern – besonders gegenüber älteren oder unerfahrenen Menschen.

In der Mitteilung ist von „Crime-as-a-Service“ die Rede – was verbirgt sich dahinter?

Reime:
„Crime-as-a-Service“ ist gewissermaßen das Geschäftsmodell hinter vielen Cyberbetrugsformen. Täter kaufen oder mieten betrugsrelevante Dienste – etwa gefälschte Websites, Callcenter-Zugänge oder eben Rufnummern – von spezialisierten Anbietern auf dem digitalen Schwarzmarkt. Es handelt sich um eine arbeitsteilige Parallelwelt des Verbrechens, in der ein vollständiges Betrugspaket gebucht werden kann – vom ersten Anruf bis zur manipulierten Auszahlung.

Sie vertreten regelmäßig Geschädigte solcher Betrugsmodelle – wie bewerten Sie den Verbraucherschutz in Deutschland in diesem Bereich?

Reime:
Der Schutz verbessert sich – keine Frage. Dass BaFin, LKA und Staatsanwaltschaft hier koordiniert handeln, ist ein gutes Zeichen. Aber aus meiner Sicht reicht das nicht. Opfer kommen oft viel zu spät ins Bewusstsein der Behörden. Die Betrugsmaschen sind extrem glaubwürdig aufgebaut, und wenn das Geld einmal geflossen ist, ist es oft weg – in Offshore-Konten oder über Kryptowährungen verschleiert.

Was wünschen Sie sich konkret von Politik und Aufsicht?

Reime:
Wir brauchen ein zentrales Frühwarnsystem, das verdächtige Domains, Rufnummern und Plattformen schneller erkennt und sofort abschaltet. Außerdem sollten Banken und Zahlungsdienstleister verpflichtet werden, verdächtige Transaktionen im Kontext von Online-Investmentbetrug konsequenter zu prüfen und zu melden. Und schließlich: Es muss mehr Aufklärung geben – sowohl digital als auch über klassische Medien, um gerade ältere Menschen zu sensibilisieren.

Glauben Sie, dass Maßnahmen wie „Operation Herakles“ auf Dauer Wirkung zeigen werden?

Reime:
Sie setzen ein deutliches Zeichen – ja. Aber Cyberkriminelle sind anpassungsfähig. Wo heute Rufnummern abgeschaltet werden, tauchen morgen neue auf. Es ist ein digitaler Katz-und-Maus-Kampf. Die Lösung liegt nicht in Einzelschlägen, sondern in einem permanenten, vernetzten und länderübergreifenden Kampf gegen diese Strukturen. Und das bedeutet: technisch, juristisch und politisch.

Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch.


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