Redaktion:
Herr Rechtsanwalt Blazek, das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden, dass eine Instagram‑Story mit Vorher‑/Nachher‑Darstellungen einer ästhetischen Nasenoperation gegen das Heilmittelwerbegesetz verstößt. Wie bewerten Sie dieses Urteil grundsätzlich?
RA Daniel Blazek:
Das Urteil ist rechtlich konsequent und fügt sich sehr gut in die bisherige Rechtsprechung ein. Das Heilmittelwerbegesetz ist gerade im Bereich der Schönheitschirurgie bewusst streng – und das OLG Frankfurt wendet diese Grundsätze nun auf moderne digitale Werbeformen wie Instagram‑Stories an. Die Kernbotschaft lautet: Auch wenn sich die Werbung über neue Plattformen verbreitet, bleiben die alten Regeln gültig.
Redaktion:
Ein zentraler Punkt war die Frage, ob es sich um medizinisch nicht indizierte Eingriffe handelt. Warum ist diese Unterscheidung so entscheidend?
RA Daniel Blazek:
Weil das HWG Vorher‑/Nachher‑Vergleiche nur dann verbietet, wenn der Eingriff nicht medizinisch notwendig ist. Wenn es um rein ästhetische Änderungen geht, sieht der Gesetzgeber eine erhebliche Gefahr für manipulative Werbung. Genau das soll verhindert werden.
Das OLG hat hier darauf abgestellt, dass die Ärztin ganz überwiegend mit der optischen Veränderung geworben hat, nicht mit medizinischen Aspekten. Das war im Ergebnis ausschlaggebend.
Redaktion:
Das Landgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Warum sah das OLG das anders?
RA Daniel Blazek:
Der Unterschied liegt in der juristischen Bewertung der „vergleichenden Darstellung“.
Das Landgericht hatte offenbar einen strengen Maßstab angelegt und verlangt, dass Vorher‑/Nachher‑Bilder unmittelbar gegenübergestellt werden.
Das OLG hingegen sagt: Es reicht, wenn die Darstellung für den Betrachter eindeutig den Effekt des Eingriffs zeigt – auch wenn die Bilder zeitlich getrennt in einer Story erscheinen.
Damit berücksichtigt der Senat die Funktionsweise sozialer Medien. Das ist eine sehr zeitgemäße Auslegung.
Redaktion:
Welche praktische Relevanz hat das Urteil für Ärztinnen und Ärzte, die in sozialen Medien aktiv sind?
RA Daniel Blazek:
Eine sehr große. Viele Ärztinnen und Ärzte – gerade im Bereich der Schönheitschirurgie – nutzen Instagram intensiv, oft mit Vorher‑/Nachher‑Content.
Das OLG stellt nun klar:
► Auch Stories fallen unter das Werbeverbot.
► Ein zeitlicher Versatz macht die Darstellung nicht zulässig.
► Das Risiko unzulässiger Werbung liegt vollständig bei der Praxis.
Ich gehe davon aus, dass dieses Urteil bundesweit beachtet werden wird – und dass Wettbewerbsverbände oder Konkurrenten zukünftig vermehrt gegen solche Werbeformen vorgehen.
Redaktion:
Das Gericht spricht ausdrücklich von einer „suggestiven Wirkung“ solcher Stories. Halten Sie diese Einschätzung für gerechtfertigt?
RA Daniel Blazek:
Ja, absolut.
Stories sind niedrigschwellig, emotionalisiert und schaffen eine sehr unmittelbare Wirkung – häufig stärker als klassische Bildergalerien. Gerade ästhetische Veränderungen werden dadurch schnell als „einfach“ oder „risikolos“ wahrgenommen.
Das ist genau der Manipulationsmechanismus, den das Heilmittelwerbegesetz verhindern will.
Redaktion:
Die Ärztin könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass der Fall vor den BGH kommt?
RA Daniel Blazek:
Nicht ausgeschlossen, aber die Hürden sind hoch.
Die Rechtslage ist eigentlich klar, und das OLG hat sich an der bestehenden Rechtsprechung orientiert. Ein Grundsatzproblem sehe ich nicht.
Allerdings könnte der BGH Gelegenheit haben, erstmals konkret zur Werbewirkung von Instagram‑Stories Stellung zu nehmen – und das wäre durchaus von grundsätzlicher Bedeutung.
Redaktion:
Was empfehlen Sie Ärztinnen und Ärzten nach diesem Urteil?
RA Daniel Blazek:
Ich empfehle dringend:
-
Keine Vorher‑/Nachher‑Darstellungen bei ästhetischen Eingriffen – auch nicht „versteckt“ in Stories oder Reels.
-
Die Werbung stärker auf Information, Aufklärung und Expertise auszurichten.
-
Alle Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung rechtlich prüfen zu lassen.
Instagram ist kein rechtsfreier Raum. Das Urteil macht das sehr deutlich.
Redaktion:
Herr Blazek, vielen Dank für das Gespräch.
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